Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)
Dieter Porsche im weißen Hemd tätschelt ihr verlegen den Oberarm und findet sie zum Verlieben. Genau. Konnte er haben, die Nummer, der Geiger, wenn er wollte, konnte er haben.
»Ich arme Maid!«, heulte ich in seinen Hemdsärmel hinein. »Mit einem unehelichen Kind lebt es sich eben sehr schwer in einer Welt, die nur von Ehrgeiz und Erfolgsstreben besessen ist! Erst heute habe ich die Chance meines Lebens vertan, weil ich da sein musste, wo meines Kindes ist! Und dann war es noch nicht mal zu Hause!! Die Pupke hat es mir entrissen! Mehr und mehr entfremdet sie mir das Kind!«
Ich schluchzte, dass der Kaffee überschwappte.
Mag sein, dass Maria Schnell nicht ganz so verquollen aussieht, wenn sie heult. Mag auch sein, dass ihr der Maskenbildner wasserfeste Wimperntusche verpasst hat. Mag auch sein, dass das Hemd von Dieter Porsche gegen Rotz und Tränen imprägniert ist. Außerdem haben die Herrschaften aus Film, Funk und Fernsehen vorher keine Reibekuchen gegessen.
Trotzdem.
Dafür, dass wir keine Proben gehabt und die Szene freiweg improvisiert hatten, war sie gut.
Find’ ich.
Dieter Porsche alias Robby Harkort warf einen Blick ins Drehbuch und fragte dann: »Wer ist die Pupke?«
»Unsere Kinderfrau«, schluchzte ich.
»Und sie entreißt dir dein Kind?«, fragte Robby bestürzt.
»Ja, tut sie«, heulte ich. »Sie strickt ihm ständig modische Ensembles ›in blö‹ und zerrt an ihm herum und betuddelt und betatscht ihn und redet auf ihn ein und kocht ihm jeden Tag Gemüse und lässt mich davon kosten und badet ihn jeden Morgen und zeigt mir beim Frühstück die Stäbchen mit dem Ohrenschmalz und fährt ständig mit ihm spazieren und breitet seine Rötzchen vor mir aus und will immerfort von mir gelobt werden.«
»Die ist wohl ziemlich gewissenhaft«, sagte Robby.
»Sie entfremdet mir das Kind!«
»Verstehe«, sagte Robby. »Du willst zwar eine Kinderfrau, aber die soll das Kind gefälligst in Ruhe lassen.«
»Genau«, sagte ich erfreut und zog die Nase hoch. »Und mich auch.«
»Hast du ihr das schon mal gesagt?«, fragte Robby sachlich.
»Trau ich mich nicht«, sagte ich. »Klaus hat es mir strikt verboten!«
»Und da hältst du dich dran? Ich dachte, das ist heutzutage nicht mehr üblich.«
»Doch!«, schluchzte ich auf. »Frauen sind IMMER von Männern abhängig, wie sie sich auch drehen und wenden! Wenn Klaus die Pupke entlässt, ist meine Karriere im Eimer!«
»Und eine andere Kinderfrau …? Vielleicht findet sich noch die eine oder andere …«
»Nein. Klaus besteht auf Pupke. Die hat so das gewisse Etwas.«
»Aha. Und ihr lebt hier alle so zusammen? Mehr oder weniger spannungsreich?«
»Ja«, sagte ich einsilbig. Sollte ich ihm jetzt auch noch von Simon Reich erzählen, dem spannungsreichen Verhältnis, das ich nebenbei pflegte?
Nein, Kind, das geht zu weit. Du kennst diesen Robby doch gar nicht näher. Es imponiert ihm bestimmt nicht, wenn du dich noch weiter bei ihm ausheulst. Bestimmt will der Mann jetzt gehen, er hat sicher noch was anderes vor.
Außerdem wollte ich ihm ja gefallen, dem Geiger, und wenn ich weiter so herumschniefte, würde sich dieser Plan ins absolute Gegenteil verkehren.
Kind, nun sei höflich und frag auch mal nach ihm. Kein gebildeter Mensch redet nur immer über sich!!
Ich fragte also nach ihm.
Wie geht’s denn so und was machen Sie beruflich und lebt Ihre Großmutter noch und haben Sie ein Gästezimmer und wo stammen Sie her und kennen Sie zufällig den und den, der dürfte in Ihrem Alter sein. Simon Reich würde das jetzt fragen. Und dabei die Beine hochlegen und in seinem Rucksack wühlen.
Robby erzählte tatsächlich etwas über sich.
Er war Geiger im Opernorchester, und er kannte tatsächlich den und den, das bleibt ja in der weitläufigen Musikszene nicht aus. Robby hatte nämlich einen sehr drahtigen Chefdirigenten namens Imposanti, unter dessen Leitung ich seinerzeit auch schon mal gesungen hatte, im Chor natürlich, in der zweiten Reihe. Das nur nebenbei. Auch sonst kannte er natürlich diesen und jenen Sänger, auch von Simon Reich hatte er schon viel gehört. Theresa Horn hatte er erst gestern wieder über seinem Kopf herumlaufen hören, als er im Orchestergraben Dienst gehabt hatte. Robby hatte jedenfalls genug Stil, um sich in keiner Weise negativ über irgendjemanden auszulassen. Das findet man unter Musikern auch relativ selten.
Kind, der Mann hat Charakter.
Robby sagte, dass er mich herzlich von Antje Zier grüßen solle. Sie sänge
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