Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)
Schnitt?«
»Wir?«
»Meinetwegen, du.«
»Nichts«, sagte Klaus und steckte sich einen von meinen kalt gewordenen Königsberger Klopsen in den Mund. Wie schon erwähnt, kann ich seit der Begegnung mit Frau Pupkes schlecht geschliffenen Zahnstummeln keine Königsberger Klopse mehr essen.
Klaus war da hartgesotten, als Arzt. Der las ja sonst auch immer zum Essen diese Fachblätter mit Großaufnahmen von versehentlich beim Heckeschneiden abgehackten Gliedmaßen und so.
»Nein, Klaus, ich meine, wie viel Frau Pupke bei uns monatlich verdient«, sagte ich, in der Hoffnung, dass es sich um ein Missverständnis handeln könnte.
»Nichts«, sagte Klaus und tupfte sich die Stirn und den Bart mit der Lusthansa-Serviette. »Sie will nichts.«
»Sie WILL nichts?«
»Sie will jedenfalls kein Geld.«
»Was will sie denn?« (Was willa willa denn …)
»Sie macht das alles aus reiner Nächstenliebe.«
»Sie macht WAS?«
»Sie hat schon damals bei Irene und mir nichts gewollt als Familienanschluss. Dabei gab es bei uns überhaupt keinen Familienanschluss … außer Corinna natürlich, das liebebedürftige Tier. Bei uns hingegen fühlt sich Frau Pupke viel wohler. Sie liebt Paulchen, und dich hat sie auch ins Herz geschlossen.«
Klaus schloss zufrieden die Augen und richtete sich für ein Nickerchen unter der Frischluftdüse ein.
Ich starrte ihn an. Er ahnte NICHTS. Er fand das alles O. K. so. Papa, Mama, Omma und Kind. Kommt in den besten Familien vor.
Tante Pupke hatte sozusagen eingeheiratet! Wie das bei alleinstehenden Frauen ihrer Generation früher so üblich war. Frau machte sich nützlich und verschleuderte ihre ganze Nächstenliebe, und zur Belohnung bekam sie ein bisschen Familienanschluss.
Dass Tante Pupke mein Verhalten nicht gerade familienfördernd fand, war klar. Deshalb arbeitete sie so vehement an einem familiäreren Klima. Mir fielen ganze Jägerzäune von den Augen.
Frauen wie Tante Pupke hielten ja nichts von der Emanzipation, genauso wenig wie von Nietenhosen und der frei improvisierten Kindererziehung. Letztens noch hatte sie mir streng verboten, des Nachts zu meinem Paulchen zu gehen, wenn es weinte. Das Kind hat seine Zeiten, und nachts muss es schlafen. Das ist so, das hat schon die Hebamme vonne Ursela imma gesacht. Und der Kalleinz hat se mit Gewalt im Bett festgehalten, wennse nachts zu ihrem weinenden Baby wollte. So hatte dat Baby vonne Ursela nach wenigen Wochen geschnallt, dass nächtliches Schreien nur zum Blauanlaufen führt, nicht aber zum Erscheinen eines tröstenden Elternteils.
Sisste! Sarich doch! Und dat Baby hat nie wieder nachts geschrien! Woll? Sachma!
Daraufhin hatte ich zornentbrannt geantwortet, dass ich aber wohl zu meinem Baby laufen würde, wenn es weinte. Tante Pupke hatte angemerkt, dass das aber sehr rücksichtslos gegenüber dem Doktor wäre, wenn ich dauernd das Bett verließe, woll, sachma, und dass sie dann um des Doktors Nachtruhe willen schon lieber selbst laufen würde.
So war es dazu gekommen, dass Tante Pupke und ich nächtens im Nachthemd auf dem Flur um die Wette rannten, um Paulchen aus dem Bett zu reißen und zu trösten. Weil Tante Pupkes Zimmer neben dem Kinderzimmer lag und das Elternschlafzimmer am Ende des Flurs, war Igel Pupke immer schon da, während Hase Pauline wieder mal das Nachsehen hatte.
Irgendwann hatte ich zähneknirschend die Rangelei um das Baby aufgegeben und Frau Pupke des Nachts ihre Nächstenliebe verschleudern lassen. Wie im kaukasischen Kreidekreis. Nur in echt.
Zumal Tante Pupke mir deutlich zu verstehen gegeben hatte, dass ich meine Nächstenliebe gefälligst innerhalb des Schlafzimmers verschleudern solle, wie das meiner Rolle als Frau zukomme. Tante Lilli hätte es nicht deutlicher formulieren können. Nur vornehmer.
Klaus, der arglose Familien-Bär, wusste von dem allen nichts. Er schlief des Nachts immer tief und fest in seiner Bärenhöhle. Irgendwelche Annäherungsversuche hatte er seit meinem Simon-Geständnis nicht mehr unternommen. Ewig untersagt ist Huldvereinung.
Wahrscheinlich war es ihm völlig egal, ob ich nun neben ihm lag oder Tante Pupke. Er liebte mich eben nicht mehr, der Klaus, und das war ihm auch nicht zu verübeln.
Deshalb war ich kurzerhand mit meiner Wolldecke zu Simon gezogen. Aber der liebte mich auch nur bei passender Gelegenheit. Erwähntermaßen war ich auch bei Simon nicht wunschlos glücklich. Zumal das Vorspiel immer so lange dauerte und außerdem ohne mich stattfand.
Kind, solange du
Weitere Kostenlose Bücher