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Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Titel: Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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sich so schnell keiner entgehen.«
    »Also gut«, sagte Klaus und raffte sich auf, um sein Outfit zu verändern. »Gehen wir hin. Aber nur, wenn wir nachher noch was Richtiges essen.«
    Es war ein merkwürdiges Gefühl, einmal nicht mit Koffer und Noten durch den Lieferanteneingang zu kommen. Noch toller war es, dass ich zwar eine prickelnde Spannung fühlte, nicht aber diese Höllenpein, die sonst vor Konzerten von mir Besitz ergreift.
    Mit leuchtenden Augen stand ich in meinem gekürzten Pupke-Kleid neben der Abendkasse und sah Klaus dabei zu, wie er zwei der teuersten Karten löste. Typisch Klaus. Mit einem Stehplatz oder einem in der zweiten Reihe hätte er sich nie abgefunden. Wir erstanden im hastigen Eintreten noch schnell ein Programm. Ich war viel zu hektisch, um darin zu blättern. Bemüht, nicht von meinen hohen Absätzen zu kippen, ließ ich mich von Klaus in unsere vorderste Reihe lotsen.
    Das Orchester saß bereits. Ich reckte den Hals. Hach, wie war es alles aufregend! Geräusche von scharrenden Füßen, von verhaltenem Reden im Publikum, vom Stimmen der Instrumente und von letzten hereinhuschenden Zuhörern waren mir so vertraut, dass ich automatisch anfing, mich zu räuspern und meinen Stimmsitz zu prüfen.
    »Soll ich dich anbinden? Nicht dass du gleich auf die Bühne rennst!«
    »Nein, ich finde es großartig, dass ich hier sitzen darf und den ganzen Abend keinen Ton von mir geben muss.«
    »Soll ich dir das glauben? Gib’s doch zu, du würdest wahnsinnig gerne jetzt da vorne stehen!«
    »Ich denke, Psycho-Freaks interpretieren nicht?!«
    »Denk mal, du könntest jetzt da vorne stehen, und alle würden dir zuhören! Wäre das nicht schön für dich?«
    »Denk mal, ich kann hier völlig entspannt im Sessel lümmeln und mir mit verschränkten Armen die lieben Kollegen betrachten! Und wenn sie anfangen zu singen, werde ich knallhart nachprüfen, ob ihre Noten zittern oder die Hosenbeine flattern!«
    »Kriegst du aber kein Honorar für!«
    »Das ist es mir wert! Ich werde mir in Ruhe ansehen, ob die Sänger ihr Repertoire beherrschen oder ob sie ständig in die Noten starren! Vielleicht werde ich auch ein bisschen zuhören, mal sehen. Vielleicht verziehen sie bei hohen Tönen das Gesicht, oje, das werde ich aber auf falsche Technik zurückführen! Ich werde mir auffällig Notizen machen, auf den Rand des Programms, damit alle sehen, wie kompetent und kritisch ich bin. In der Pause werde ich dann mein Sektglas vor mir hertragen und sehr laut meine fachkundige Meinung über alles kundtun. Oh, wie ich mich selbst beneide! Ich kann …«
    Weiter kam ich nicht mit meinem aufgekratzten Gefasel. Da erschienen sie. Die Solisten. Höflicher Beifall. Ich klatschte auch, aber nicht zu doll. Erst mal sehen, was ihr zu bieten habt, meine Lieben!
    Vorneweg schritt Antje Zier, meine heißgeliebte Freundin. Sie hatte etwas Schneeweißes, Flatterndes mit einem raffiniert geschnittenen Cape an, das ihr um die bloßen Schultern wehte. Ich würde sagen: ein Kleid von Dior. Am Hals und in den Ohren: echte Hinkelsteine. Nicht runtergesetzt.
    Nächster Blick: der Alt. Eine fette schwarze Eule mit grauen Haaren. Warum die wohl engagiert worden war. Wo es doch mich gab! In der Neunten von Beethoven hört man den Alt sowieso nicht, deswegen kann man auf jeden Fall ein bisschen an die Optik denken. Ich schluckte an einem Neidkloß.
    Der Tenor. Ach, das war ja Kantaten-Ede aus Wien! Wie nett, ihn mal wiederzusehen. Ich hatte ihn mal auf einem Wettbewerb im Rauschmittelmuseum in der dritten Runde rausgeworfen. Klasse war das. Besonders angesichts der Tatsache, dass der Bursche inzwischen Karriere gemacht hatte und ich nicht. Keine Ahnung hatten diese Typen aus der Jury.
    NN, der Bass. Schwarzer Rolli, schwarzer Anzug, schütteres Haar. Thermoskanne und Blockflöte.
    Simon.
    Reflexartig griff ich mit schweißnasser Hand nach Klausens Bärentatze. Er drückte erfreut zu. Vielleicht wähnte er, wir wären im Kino. Die Schuhe hatte er jedenfalls schon ausgezogen. Früher hätte er sich so was nie getraut. Das musste mein Einfluss sein …
    Simon!
    Ich starrte ihn an. Der gehörte doch nicht in diesen Film! Der saß doch in seinem Kellerloch, sah sich einen verschneiten Western an und zelebrierte ein Fruchtschnittchen!
    Der Dirigent sprang behend aus seinem Verschlag und schaffte den Sprung auf seinen Kasten beim ersten Versuch. Der Beifall schwoll an.
    SIMON! Meine Hand krampfte sich fester in Klausens Pranke, die im Wegdämmern

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