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Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Titel: Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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zuckte.
    Der Dirigent zeigte uns sein Antlitz; er und drei von den vier Solisten verbeugten sich. Simon nicht. Der saß auf seinem Hintern und schraubte den Deckel von der Thermoskanne los. Dann verstaute er sein Gepäck unter dem Stuhl. Ich kannte jeden Handgriff auswendig. Gleich würde er sich umständlich die Brille putzen und dabei den Mund zu einer wirkungsvollen Grimasse verziehen. Er konnte Auftritte ohne szenische Einlagen nicht leiden. Nun straffte sich der Dirigent, drehte uns entschlossen den Rücken zu und riss den Taktstock in die Höhe. Die Streicher rissen ihre Geigen an die Backe, und los ging’s.
    Ich weiß nicht mehr, wie das Konzert war.
    Meine Gedanken flogen schneller, als die Geigenbögen zucken konnten.
    Simon. Warum hatte er mir dieses Konzert verschwiegen? O.K., wir waren uns keinerlei Rechenschaft schuldig. Ich hatte ihm ja auch die eine oder andere Kleinigkeit verschwiegen.
    Trotzdem.
    Das hier war keine Lappalie. Auch für den lässigen, autarken Simon nicht. Es wäre einer unverbindlichen Erwähnung wert gewesen.
    Er musste was mit einer Anderen haben. Das war’s! Die dicke Eule schied aus. Sie war nicht sein Geschmack, auch wenn er zu Absonderlichkeiten neigte. Antje schied auch aus.
    ODER? Wieso eigentlich? Nur weil sie verheiratet war? Simon machte sich bestimmt nichts aus solchen Äußerlichkeiten. Antje auch nicht!
    ANTJE!?! DU?!
    Die Solisten saßen während der ersten drei Sätze untätig auf ihren Stühlen herum, und wir hatten Zeit, einander zu betrachten, die Sänger und das Publikum. Mustere ich sonst immer einzelne Gesichter aus dem Zuschauerraum und versuche, nicht darüber nachzudenken, wo die gerade herkommen und was die eben noch gegessen haben und wie lange sie vor dem Kleiderschrank gestanden haben, bis sie dann das angezogen, was sie jetzt anhaben, und wie lange sie gebraucht haben, bis sie endlich in die Parklücke gepasst haben, so glotzte ich diesmal genauso dämlich auf die Solisten wie alle anderen im Publikum auch. Dabei versuchte ich mich im Schatten von Klaus zu verstecken. In meinem Kopf hämmerten die kleinen grauen Männchen.
    Simon.
    Antje.
    Wie lange wohl schon?
    Ganz klar. Er sagte auch Mäuschen und Kleines und Häschen zu ihr. Mindestens. Wenn nicht noch Kätzchen und Schätzchen und Spätzchen.
    Ich fühlte mich elend und verraten.
    Klaus! Die Diva fühlt sich kompromittiert! Wach sofort auf, wink das Orchester ab und mache die offizielle Ansage, dass du eine Erklärung von Simon für diese Demütigung deiner Kindsmutter erwartest, andernfalls du Satisfaktion durch den Paukenschlag verlangst!
    Kannst du nicht eine Stunde mit mir wachen, du promovierter Entspannungskünstler?
    Moment, sagte Tante Lilli. Sie hatte wider Erwarten auch noch eine Eintrittskarte zu diesem Konzert ergattert und hockte nun auf meiner Stuhllehne, um mir von hinten einige Erziehungsmaßnahmen ins Ohr zu zischen. Wie KANNST du den gediegenen Mann dafür verantwortlich machen, dass deine Privatangelegenheiten inzwischen so verwickelt sind!
    Mich verwirren will das Irren! stammelte ich und zog den Kopf ein.
    Lass das jetzt! würgte Tante Lilli mich ab. Du hast dir das alles selbst eingebrockt, da siehe du zu! Dieser Simon ist nicht gediegen, das habe ich dir schon immer gesagt!
    Meinst du, er HAT was mit Antje? fragte ich fassungslos.
    Natürlich, Kind, nein, was bist du naiv. Außerdem ist diese Antje ein Flittchen. Hab’ ich dir gleich gesagt.
    Ich sah Simon an. Wie er dasaß und an seiner Thermoskanne schraubte und zu Antje rüberschaute und sich mit ihr unterhielt, mitten in der Neunten von Beethoven über die Köpfe von zwei Kollegen hinweg.
    Und Antje. Wie sie so liebreizend und unschuldig aussah und geschmeichelt errötete unter den Blicken von Simon und weiteren tausend Zuschauern.
    Klar ist das spannend, auf offener Bühne zu flirten! Weiß ich, weiß ich. Tut man aber nicht!!!
    Die dicke Eule am Alt saß regungslos auf ihrer Stange und starrte toten Blickes ins Leere. Ein totaler Profi war die, das hatte ich sofort gesehen. Jetzt aber, da Simon ihr den dampfenden Becher anreichte, damit sie ihn weitergeben möge, schnellte ihr Kopf plötzlich nach rechts und dann nach links, genau wie bei einer richtigen Eule, und dann starrte sie wieder geradeaus.
    Kantaten-Ede, der Tenor, blätterte hastig in seinem Klavierauszug. Aus dem Getöse des Orchesters wurde er anscheinend nicht schlau. Jedenfalls bemerkte er nicht, was sich um ihn herum abspielte.
    Aber ich bemerkte es! Er

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