Frauen al dente. (German Edition)
still und heimlich ins Krankenhaus schleichen und die große Dulderin spielen. Wie zu längst vergangenen Ufa-Zeiten.
Aber irgendwie paßte es auch wieder zu ihr. Diesen Drang zum großen Drama hatte sie bestimmt ihrer Mutter, der Operndiva, zu verdanken. Über die sie sich auch am liebsten ausschwieg.
Zum Glück war sie selbst aus anderem Holz geschnitzt.
Verdacht auf Krebs – die absolute Hammerdiagnose. Allzu lange konnte Hella es noch nicht wissen, sonst hätte sie sich garantiert nicht so auf das Sorgerecht für Lisa versteift.
Puh!
Es schellte. Während Marlen zur Tür lief, hörte sie nebenan Barbara telefonieren.
Lieber Gott, laß sie uns finden, schoß es ihr durch den Kopf.
Der Briefträger hatte sich ausnahmsweise zu ihnen in die dritte Etage bemüht. »Ein Einschreiben für Frau Marlen Sommer!« Er reichte ihr einen gefütterten Umschlag und wartete geduldig, bis sie den Empfang quittiert hatte. »Kann ich Ihnen die übrige Post auch gleich geben oder soll ich sie unten in den Briefkasten stecken?«
Marlen unterdrückte eine schnippische Antwort. Es kostete sie immer eine Extraportion Energie, dummen Fragen mit Geduld zu begegnen. Trotzdem quälte sie sich ein Lächeln ab. Schließlich konnte der Mann ja nichts dafür, daß er so war, wie er war.
»Lassen Sie sie hier.« Ohne noch einen Blick darauf zu werfen, stopfte sie den Stapel in ihre Handtasche. Bei dem Einschreibebrief zögerte sie zunächst. Sie versuchte den Inhalt des Umschlags mit den Fingern zu ertasten, doch das weiche Innenfutter verriet nichts.
»Alles klar, ich hab' sie! Sie liegt im Marienhospital, nicht weit von hier.« Barbara stürzte an Marlen vorbei ins Bad. »Worauf wartest du noch? Füttere endlich Lisa ab, damit wir gleich losfahren können. Oder hast du es dir anders überlegt?«
»Nein, natürlich nicht.« Hastig steckte Marlen den Umschlag zu der übrigen Post.
Lisa schien die Aufregung zu spüren. Sie verzichtete auf ihr morgendliches Spiel und ließ sich in Rekordgeschwindigkeit ankleiden und füttern. Selbst den dickflüssigen Haferflockenbrei schluckte sie heute ohne Murren.
Barbara wartete bereits abflugbereit an der Tür.
»Müssen wir Hella nicht ein paar Sachen einpacken? Nachthemden, frische Wäsche?« fragte Marlen.
»Quatsch. Sie ist doch nicht von der Straße weg eingeliefert worden. Sie wird alles, was sie braucht, dabei haben.«
Marlen rannte trotzdem noch einmal in die Küche. »Ich nehm' ihr die Zeitung mit. Ohne ihren Wirtschaftsteil ist sie nur ein halber Mensch.«
»Wenn du nicht endlich kommst, fahre ich ohne dich los. Die Zeitung können wir ihr auch noch von unterwegs mitbringen«, platzte Barbara der Kragen. Nervös rasselte sie mit dem Schlüsselbund.
»Ist ja schon gut.« Beschwichtigend hob Marlen beide Hände. Die Situation war aufregend genug. Sie mußten sich nicht auch noch in die Haare kriegen. Den Wirtschaftsteil nahm sie trotzdem mit. Außer Hella las ihn ohnehin niemand. Und für sie als künftige freie Journalistin stand Sparsamkeit auf dem Programm. Den Job bei
Child,
egal als was, durften andere machen. Sie jedenfalls war heute morgen mit der Gewißheit erwacht, daß sie Lisa zwar über alles liebte. Nach noch mehr Kindern verlangte ihr Herz jedoch nicht. Schon gar nicht beruflich.
Marlen hätte gerne den Vormittag genutzt, um sich ein paar Gedanken über ihre eigene Zukunft zu machen, doch dank Hella stand nun unverhofft Krankenbesuch auf dem Programm.
Sie schlüpfte in Jacke und Schuhe, schulterte ihre Tasche und hob Lisa im Sitz in die Höhe.
»Tür auf!« befahl sie.
Doch erschrocken prallten sie zurück. Vor der Tür stand Jens Ebert, die Hand erhoben, um den Klingelknopf zu drücken. »Sorry, unten stand die Haustür offen«, sagte er mindestens ebenso verblüfft.
Barbara wollte ihn kurzerhand zur Seite schieben.
»Du, im Augenblick haben wir überhaupt keine Zeit für dich. Hella ist auch nicht da, sie ist …« Barbara fing Marlens warnenden Blick auf und biß sich rasch auf die Lippen. Richtig, wenn Hella ihnen nichts von ihrer Erkrankung erzählt hatte, wollte sie es Jens bestimmt nicht verraten.
»Kein Problem.« Jens zeigte sich hartnäckig. »Ich will nur etwas abholen. Sie wollte es für mich bereitlegen, falls sie mal nicht da sein sollte.« Er marschierte zielbewußt an ihnen vorbei in Hellas Zimmer.
»Bestimmt hat er wieder seine Unterhosen vergessen«, unkte Barbara. Die Szene, wie Hella seine Boxershorts aus dem Leergut fischte, hatte sich ihr
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