Frauen al dente. (German Edition)
ergänzte Hella. Sie begann zu schwitzen, was sie erstaunte. So ein Bestattungsvorsorgevertrag war doch eigentlich ein ganz normales Geschäft. Null acht fünfzehn. Gewissermaßen. Doch das Gelände, auf dem sie sich bewegten, war vermint. Emotionsexplosionen drohten, die sie lieber vermeiden wollte. Sie hatte sich selbst überschätzt. So cool, um unberührt über das eigene Begräbnis verhandeln zu können, war sie wohl doch nicht. Um so angestrengter bemühte sie sich, den routinierten Verhandlungston beizubehalten, den sie täglich in ihrer Bank erprobte und der ihr Sicherheit verlieh.
»Und in welchem Rahmen bewegen wir uns preislich? Ich meine, mit welchen Kosten muß ich rechnen?« Sie legte keinen Wert auf ein pompöses Begräbnis. Es sollte ordentlich und solide sein, nichts Extravagantes.
Wieder Zögern. »Das hängt auch davon ab, welche Anzeigen Sie auswählen, ob Sie einen Grabredner wünschen und natürlich, welche Art Grab Sie wählen. Reihen·, Wahl- oder Urnengrab. Am besten, Sie kommen einmal bei uns vorbei, dann stelle ich Ihnen die verschiedenen Möglichkeiten und Modelle vor.«
»Aber mit welchen Kosten muß ich rechnen?« beharrte Hella. Als Bankerin brauchte sie Zahlen.
»Zwischen 5000 und 6000 Mark, alles in allem.«
Sie atmete tief durch. Sterben war nicht billig. Sie dankte Herrn Emmerichs und sagte ihm zu, sich gegebenenfalls wieder bei ihm zu melden. Nachdem sie noch ein paar Vergleichsangebote eingeholt hatte.
Puhh! Sie fühlte sich elend. Tod war gewöhnungsbedürftig.
Sie stützte die Arme auf den Schreibtisch und verbarg den Kopf in den Händen. Marlens Entscheidung, künftig selbst für Lisa zu sorgen, hatte ihr einen schweren Schlag versetzt. Den sie noch nicht verdaut hatte. Ob Marlen ihr Lisa überlassen würde, wenn sie ihr erzählte, daß ihr Leben davon abhing? Möglicherweise. Vermutlich jedoch eher nicht. Wer vertraute einer schwerkranken Frau schon sein Kind an? Selbst wenn sie sich operieren lassen würde – es gab keine endgültige Sicherheit vor dieser Krankheit.
Das war die Wahrheit.
Handelte sie tatsächlich unverantwortlich, wenn sie sich eine Familie wünschte?
Doch ihr blieb keine Zeit, sich weitere Gedanken zu machen. Frau Schuhmann, die zuverlässige Vorzimmerseele, meldete einen Anruf: »Eine Frau Dr. Keller.«
Ihre Frauenärztin. Weshalb rief sie an?
»Mir liegt seit gestern der Befund der Radiologin vor. Sie rät dringend zu einem Eingriff. Ich verfüge über einigeBelegbetten. Wenn Sie heute Nachmittag zu mir in die Praxis kommen, können wir den Eingriff gleich besprechen. In der Zwischenzeit bereite ich die Einweisungspapiere vor.« Frau Dr. Keller, energisch und tatkräftig wie immer.
»Ich lasse mich nicht operieren«, sagte Hella ruhig.
Die Stille, die ihren Worten folgte, war mit Händen greifbar. Die Ärztin schien nach Worten zu suchen.
»Haben Sie mit jemandem über Ihren Entschluß gesprochen? Ihnen ist doch bewußt, daß Sie mit ihrem Leben spielen? Es muß nicht, aber es könnte Krebs sein«, sagte sie endlich.
Hella widerstand dem Impuls, einfach aufzulegen. Sie verspürte nicht die geringste Lust, ihre Entscheidung nun auch noch zu diskutieren. Diese endlosen Diskussionen waren sowieso alle für die Katz. Die Teilnehmer redeten aneinander vorbei. Niemand hörte dem anderen zu. Ja, früher hatte auch sie geglaubt, die Welt ließe sich durch Reden ändern. Doch das war Quatsch. Ihre Mutter zum Beispiel war in Gedanken immer schon bei ihrem nächsten Auftritt gewesen, wenn Hella ihr etwas erzählte. Doch Antworten wie ›Ach, wie schön‹, ›Das wird schon werden‹ und tausenderlei Varianten von ›Mmmmh‹ halfen einem pubertierenden Mädchen herzlich wenig. Hella hatte gelernt, ihre Probleme mit sich selbst auszumachen.
Dabei sollte es auch bleiben. Denn es war immer ein Risiko, sich anderen anzuvertrauen. Und sie haßte es, enttäuscht zu werden.
»Es bleibt dabei. Ich lasse mich nicht operieren. Danke für Ihre Mühe«, sagte sie fest und legte auf.
Ein Urlaub würde ihr guttun. In frischer Luft, weit ab von Telefon und Business, von guten Freunden und von ihrer Krankengeschichte.
Schon wieder Frau Schuhmann, diesmal über die Sprechanlage: »Herr Sanders ist jetzt da.« Nicht einmal eine Verschnaufpause war ihr vergönnt.
»Er kann reinkommen.« Hella strich sich die Haare aus dem Gesicht, erhob sich und ging Peer Sanders entgegen. Sie begrüßten sich herzlich. Das heutige Gespräch hatten sie auf der Rückfahrt von
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