Frauen al dente. (German Edition)
auch hier auf dem Hof geboren wird.« In seine Augen trat ein schwärmerischer Ausdruck. Hella bemerkte es mit Vergnügen.
»Der Beginn ihrer Schafzüchter-Ara, mit anderen Worten«, scherzte sie.
»So könnte man es nennen.« Er betrachtete sie freundlich. »Wenn Sie Lust haben, lade ich Sie ein, bei der Zeugung und später bei der Geburt dabei zu sein. Ich würde mich sehr freuen.«
»Ich?« Eine intelligentere Frage fiel Hella auf die Schnelle nicht ein. Vom Schreibtisch in der Bank zum Zeugungsakt auf die Weide? Ein gewaltiger Sprung. Fast ein Spagat. Sollte sie es wagen? Was sprach dagegen?
Seine Begeisterung wirkte ansteckend auf sie. Kaum zu glauben, daß dieser leibhaftige Supermann sich so kindlich auf die Geburt eines Lammes freuen konnte. Andererseits – so eine Geburt war in jedem Fall etwas Besonderes. Das Leben pendelte nun einmal zwischen den Polen Geburt und Tod. Egal, wie sehr man sich in der Zwischenzeit auch abstrampelte, am Anfang und Ende waren alle gleich. Je eher man das begriff, desto gelassener konnte man das Leben angehen.
Sie wünschte, es wäre ihr früher eingefallen.
»Oder sind Sie etwa gegen Schafe allergisch?« platzte er mißtrauisch in ihre Gedanken hinein.
»Nein! Wie kommen Sie darauf?«
»Es war bloß ein Gedanke.«
»Ach so.« Dialoge wie aus dem Bilderbuch.
Hella spürte plötzlich das Bedürfnis, ihm eine Freude zu bereiten. »Rufen Sie mich an, wenn es soweit ist. Ihr Schaf wird sich bei der Geburt über eine Frau in der Nähe freuen«, sagte sie lächelnd.
Und wenn nicht das Schaf, dann vielleicht Peer, dachte sie. Um insgeheim den Kopf über sich selbst zu schütteln. Wie Kraut und Rüben purzelten ihre Gedanken, Hoffnungen und Wünsche durcheinander. Sie war weder Fisch noch Heisch. Oder sie durchlebte in diesen Tagen den ersten Schub von Schizophrenie. Ein Teil in ihr wollte leben, der andere schloß mit dem Leben ab. Doch beide Teile schlotterten vor Angst, sich Gewißheit zu verschaffen.
Eine Stunde später saßen sie wieder nebeneinander im Wagen. Obwohl Hella sich offiziell noch abwartend zeigte, war sie innerlich längst entschlossen, Peer den Kredit zu bewilligen. Sein Hof und der Grundbesitz boten ausreichend finanzielle Sicherheit, die Bank ging allenfalls ein kleines Risiko ein.
Hella blickte nachdenklich aus dem Fenster. Dort drüben lag der Friedhof. Sie hatte vorgehabt, sich hier von ihm absetzen zu lassen. Auf ein Grab gehörte auch ein vernünftiger Grabstein. Von einem Spaziergang über das Gelände erhoffte sie sich Anregungen. Doch plötzlich erschien ihr dieser Einfall schrecklich morbid. Und ihrem Naturell nicht im mindesten ähnlich. Zugegeben, sie war keine dieser Strahlefrauen wie Marlen oder Barbara. Für sie war ein zur Hälfte gefülltes Glas stets halbleer, nie halbvoll. Aber meine Güte! Das war für sie noch nie ein Grund gewesen, in schwierigen Zeiten die Hinte vorschnell ins Korn zu werfen.
Hella Merten kämpfte normalerweise bis zum Umfallen.
Weshalb sollte sie diesmal eine Ausnahme machen?
Kapitel 23
»Typisch Hella! Emotionsfrei und steril«, stellte Barbara fest. Ratlos starrte sie auf die wenigen Zeilen, die Hella für sie hinterlassen hatte.
»Gib mal her.« Während Marlen las, bekam sie eine Gänsehaut. Im Telegrammstil klang die Botschaft niederschmetternd:
Ihr Lieben, bin im Krankenhaus wegen Verdacht auf Brustkrebs. Melde mich später. Eure Hella.
Keine Anschrift. »Ob sie nicht gefunden werden möchte? Oder sie hat in der Aufregung vergessen, die Anschrift des Krankenhauses dazuzuschreiben. Was machen wir nun? Sollen wir sie ihrem Schicksal überlassen?«
»Natürlich nicht!« Barbara wühlte bereits in einer Schublade nach dem Telefonbuch. »Gehen wir mal davon aus, daß sie irgendwo hier in Düsseldorf liegt. Dann gibt es exakt … 23 Krankenhäuser. Wenn wir die orthopädische Fachklinik, die Kliniken für Psychiatrie, Neurologie und Suchtkrankheiten und die anderen Spezialkliniken abziehen, bleiben nur noch elf. Uns wird nichts anderes übrigbleiben, als uns in allen elf Kliniken nach ihr zu erkundigen. Am besten, du kümmerst dich um Lisa, wickeln und so. Ich setz' mich ans Telefon.«
Während Marlen erst einmal selbst in Jeans und T-Shirt schlüpfte, spürte sie, wie Wut in ihr hochkroch. Wut auf Hella. Über ihren melodramatischen Abgang. Weshalb konnte sie nicht wie jede vernünftige Frau einfach den Mund aufmachen und sagen: Hört mal zu, ich habe ein Problem. Helft mir bitte. Nein, sie mußte sich
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