Frauen al dente. (German Edition)
Unterhose!« protestierte Jens. »Sie ist verschwunden, ich kann sie nirgends finden.«
»Meinen Sie etwa diese hier, junger Mann?« Mit spitzen Fingern zog Hella das corpus delicti aus dem Untergrund hervor, weiße Männershorts. In der Hitze des Gefechts waren sie in der Ecke mit den leeren Flaschen gelandet. Marlen hatte sie glatt übersehen. Genervt griff Marlen danach.
»Was soll das? Willst du meinen Freundinnen imponieren? Die haben schon ganz andere Männer nackt gesehen!« fauchte sie, als sie Jens endlich zurück in ihr Zimmer gedrängt hatte. Wütend schmiß sie ihm die Unterhose an den Kopf. Was für ein eitler Fatzke, nach der letzten Nacht mit ihr hoffte er wohl auf einen flotten Vierer. Wenn er sich da bloß nicht getäuscht hatte.
In stoischer Seelenruhe schlüpfte er in seine Hose. »Gestern Abend kamst du mir nicht mal halb so prüde vor!« grinste er. »Du hast doch nicht etwa Angst vor deiner sauertöpfischen Freundin?«
»Weshalb sollte ich? Hella hat mir nichts zu sagen, sie ist nur wütend, weil sie noch nicht wie jeden Morgen an ihrem Schreibtisch in der Bank sitzt.« Ihr Blick fiel auf seine prallen Shorts. Für die Morgenlatte war es eigentlich noch zu früh, sollte er etwa schon wieder …? Dieser Mann brauchte den Vergleich mit einem Zuchthengst wahrlich nicht zu scheuen. Und überhaupt, was sprach dagegen, den One-Night-Stand um einen One-Morning-Stand zu verlängern?
»Wer, sagtest du, ist prüde?« fragte sie betont unschuldig, und als sie ihren Bademantel weit für ihn öffnete, verstand er sofort, was sie meinte.
Drüben in der Küche, nur wenige Meter entfernt, wechselten Hella und Barbara bedeutsame Blicke.
»Nicht kleinzukriegen, der Bursche«, stellte Hella trocken fest. »Dabei war er allenfalls guter Durchschnitt. Und wie sieht's bei deinem Staatssekretär aus?«
»Bekanntlich macht's nicht die Länge. Hauptsache, er kann vernünftig damit umgehen«, tuschelte Barbara zurück.
»Und? Kann er?«
Barbara verzog vielsagend das Gesicht. »Keine Karriere ohne Opfer«, gestand sie kichernd.
Kopfschüttelnd erhob Hella sich. »Soviel Abgebrühtheit am frühen Morgen ist kaum zu ertragen.« Mit raschen Schritten verschwand sie im Bad. Allerhöchste Zeit für die Bank.
Viel zu spät und mit rabenschwarzem Gewissen raste Marlen an Rabuske vorbei, hinauf in die dritte Etage. Mit vielsagendem Blick tippte er auf das Zifferblatt seiner Armbanduhr. Ja, ja, sie wußte es ja selbst, Eile war geboten. Denn heute war Dienstag, und damit ab zehn Uhr Redaktionskonferenz. Die Weigold würde wie stets den Vorsitz führen. Unpünktlichkeit wertete sie als persönlichen Affront.
»Tanja, ich brauche sofort die Mappe mit den Themen für die nächste Ausgabe!« platzte Marlen ins Büro. Doch nicht Tanja, sondern Frau Obermüller als ihre Vertretung saß hinter dem Schreibtisch. Tanja hatte sich krankgemeldet. Ob sie geahnt hatte, daß Marlen das versprochene Stück Apfelkuchen mit Sahne vergessen hatte?
Fünf Minuten später schlüpfte Marlen so unauffällig wie möglich in den Besprechungsraum. Natürlich saßen alle außer ihr längst auf ihren Plätzen und lauschten den Worten der Weigold. Sie wirkte heute außergewöhnlich gelöst. Jedenfalls schenkte sie dem Mann an ihrer Seite des öfteren ein Lächeln. Während die Weigold über die aktuelle Marktsituation und die Akzeptanz von
pleasure
bei den Leserinnen referierte, fand Marlen ausreichend Zeit, den Fremden eingehender zu betrachten. Irgendwie kam er ihr bekannt vor. Eine stattliche Erscheinung, oder um es salopp auszudrücken, eine Ecke von Mann, selbst im Sitzen. Alles an ihm wirkte irgendwie kantig, wuchtig. Aus jeder Pore seiner wettergegerbten Haut verströmte er ein ungeheures Maß an Kraft, Dynamik, Vitalität.
Das ist bestimmt kein Mann für eine Nacht, befand Marlen träumerisch. Und plötzlich fiel es ihr wieder ein. Der Mann an der Seite der Weigold war der Supermann vom Damenklo. Gestern Mittag, auf der Chefetage. Also doch kein Promi, der sich verlaufen hatte, doch was war er dann?
»… bereiten wir zur Zeit für den Herbst eine neue Serie zum Thema
Wendepunkte im Leben einer Frau
vor. Wie werden Frauen von heute mit Schicksalsschlägen fertig, was können wir alle von ihnen lernen? Wirklichkeitsnahe Lebenshilfe plus die komplette Gefühlspalette. Ich habe die Serie in die bewährten Hände von Frau Sommer gelegt, einer meiner fähigsten Mitarbeiterinnen.«
Marlen schreckte aus ihren Gedanken auf. Urplötzlich fand
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