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Frauen al dente. (German Edition)

Frauen al dente. (German Edition)

Titel: Frauen al dente. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marte Cormann
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alt genug dafür war. Als eine Form der Wiedergutmachung an Resi. Weil sie sich plötzlich für den Gleichmut schämte, mit dem sie Resis Freundschaft begegnet war. Und während sie Martin beim Sortieren und Verpacken half, suchte sie nach der Kette, als hinge ihre Zukunft davon ab.
    Vergeblich.
    Fünfhundert Kilometer weiter nördlich quälte sich auch Barbara für ihre Zukunft. Wütend schnaufte sie hinter ihrem Geliebten her. Ex-Geliebten, vermutlich, denn der Staatssekretär gab sich dienstlich-distanziert. Eisern wahrte er die unantastbare Rolle des Vorgesetzten, nicht die leiseste Andeutung erinnerte an seine einmalige, nächtliche Schwäche. Als ob dies nicht als Frustrationspotential genügte, überraschten die Veranstalter des Radfahrertages Barbara zu allem Unglück auch noch mit der Idee, als zuständige Referentin des Verkehrsministeriums mit Herrn Staatssekretär persönlich die 30-km-Tour zu begleiten. Auf Rädern. Barbara, deren Arbeitsalltag sportliche Extravaganzen im allgemeinen und auch im besonderen nicht zuließ, schwitzte Blut und Wasser allein bei dem Gedanken, aufs Rad steigen zu müssen. Doch ihr Ex-Geliebter, der Staatssekretär mit Ambitionen auf den Ministerposten, überschlug sich beinahe vor Begeisterung bei diesem Ansinnen. Als habe er nur auf die Möglichkeit gewartet, seine Trittfestigkeit zu demonstrieren. Zur Freude der Massen krempelte er spontan seine grauen Beinkleider hoch. Wenn Barbara ihn nicht aus den Augen verlieren wollte – wozu hatte sie sich ihm schließlich aufgedrängt –, mußte sie es ihm gleichtun. Zum Glück hatte sie heute morgen in einer Anwandlung von Vernunft im letzten Augenblick darauf verzichtet, sich als Sexiest-Girl-Of-The-World auszustaffieren. Dem Anlaß halbwegs angemessen trug sie einen eleganten, wollweißen Hosenanzug aus Schurwolle. Wunderbares Material, doch leider vertrug es nicht die geringsten Dreckspritzer. Zu allem Überfluß begann er bei übermäßiger Schweißentwicklung auch noch zu kratzen. Mit strahlendem Lächeln auf den Lippen, doch innerlich laut fluchend, strampelte Barbara sich die Lunge aus dem Hals. Wahrscheinlich hätte sie auf halber Strecke Fahnenflucht begangen, wenn sich nicht rechts und links freundliche Abgesandte des Veranstalters um sie geschart und sie immer wieder zum Weitermachen ermuntert hätten. Mit zusammengebissenen Zähnen kämpfte sie sich ans Ziel.
    »Ganz hervorragend«, lobte ein teilnahmsvoller Rotkreuz-Samariter mit Blick auf ihre dreckverkrustete Hose.
    »Wo ist das Klo?« ächzte Barbara. Breitbeinig wie eine Sumo-Ringerin stelzte sie zu dem eigens für schwache Radlerblasen errichteten Toilettenwagen. Ihre unteren Extremitäten fühlten sich wie Fahrradschläuche an, aus denen langsam aber sicher die Luft entwich. Mit jedem Schritt fühlte sie sich dem Erdboden ein Stückchen näher. Aufatmend schlüpfte sie in die einzig freie Kabine. Als sie die Tür von innen zuzog, umgab sie gnädige Finsternis. Und anheimelnder Uringestank. Was ihr unter anderen Bedingungen als unzumutbare Einzelhaft erschienen wäre, brachte sie nun an den Rand der Glückseligkeit. Endlich allein. Endlich in Sicherheit. Endlose Sekunden vergingen, bis der erlösende Urinstrahl ihren gemarterten Körper verließ, die Muskeln da unten waren offenbar solidarisch in Warnstreik getreten. Welcher Job ist es wert, so für ihn zu leiden? Und welcher Mann ist es wert, ihm so kräftezehrend nachzujagen? Nie wieder, schwor Barbara sich im Namen ihres malträtierten Körpers. Halbherzig klopfte sie an ihrer Hose herum, um wenigstens die ärgsten Dreckbrocken zu entfernen. Ein Versuch, mehr nicht. Mit einem Stück Toilettenpapier saugte sie den überschüssigen Sportlerschweiß von ihrem Gesicht und bestäubte es anschließend mit einer Prise Puder. Sollten andere die Jagd nach dem gelben Trikot fortsetzen. Sie legte nicht länger Wert darauf, die Tour de Ministerial zu gewinnen. Weder im Beruf noch in derLiebe. Barbara entschloß sich, eine Auszeit zu nehmen. Nur sich noch verabschieden und dann würdevoll den Heimweg antreten, mehr war vom heutigen Tag ohnehin nicht zu erwarten.
    Denkste. Der Tag war noch lange nicht fertig mit ihr. Denn exakt auf die Sekunde genau, als Barbara das Damenkabinett des Toilettenwagens verließ, trat auf der anderen Seite Staatssekretär Maiersdorf ins Freie. Während er noch umständlich am Hosenschlitz fingerte, ließ er seine Blicke wie ein Trapper durch die Wildnis schweifen. Mit dem offensichtlichen

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