Frauen al dente. (German Edition)
Unmoral und Lotterleben! Bonjour, neue Mütterlichkeit!
Sie seufzte schwer. Der Gedanke war zumindest stark gewöhnungsbedürftig.
Bode mißverstand ihren Seufzer. »Keine Angst, ich komme ganz bestimmt!« versicherte er.
Marlen schaute ihn ungläubig an. War er wirklich so naiv? Er schien allen Ernstes zu glauben, sie machte sich wegen des Termins mit der Dame vom Jugendamt Sorgen.
Sie nahm auf dem Beifahrersitz Platz und beobachtete aus den Augenwinkeln, wie die Verabschiedungszeremonie von Martin und Hella ausfiel. Küßten sie sich? Nein. Wahrscheinlich war es ihnen zu peinlich. Sie gaben sich die Hand. Ganz normal. Aber blickte Martin Hella nicht ein wenig tiefer in die Augen, als er es vorhin bei ihr getan hatte? Marlen rief sich selbst zur Ordnung. Ihr Verhalten war lächerlich, absolut lächerlich. Sie sollte sich lieber auf den Mann an ihrer Seite konzentrieren. Peer Sanders, ihren Highlander. Auch wenn der gestrige Abend als Fiasko geendet hatte – der Fall lag nicht hoffnungslos. Aus einer Liaison mit dem eigenen Chef erwuchs zwar niemals etwas Gutes. Doch falls sie jemals bei
pleasure
kündigen sollte, konnten die Karten neu gemischt werden.
In Marlens grummelndem Inneren verdichteten sich finsterste Vorahnungen und diffuse Zukunftsängste zu einem unverdaulichen Klumpen. Möglicherweise rückte der Tag ihrer Kündigung bei
pleasure
tatsächlich in greifbare Nähe. Die letzten Wochen mit Lisa hatten gezeigt, daß sie sich nicht zerreißen konnte. HundertprozentigerEinsatz in der Redaktion und hundertprozentiger Einsatz für Lisa schlössen sich aus. Folglich brauchte sie entweder eine 24-Stunden-Betreuung für Lisa. Unbezahlbar. Oder sie selbst mußte beruflich kürzer treten. Bis vor kurzem noch ein Ding der Unmöglichkeit.
Zum zweiten Mal an diesem Morgen entwich ihr ein tiefer Seufzer.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?« fragte Sanders besorgt.
In Rekordgeschwindigkeit durchflutete wohlige Wärme ihren Körper und schwappte bis in ihr Herz. Eine Reaktion, die sie selbst überraschte. Peer Sanders sah nicht nur wahnsinnig gut aus. Er machte sich sogar Gedanken, ob es ihr gut ging. Soviel Interesse und Mitgefühl war sie von ihren Eine-Nacht-Männern nicht gewohnt. Mit einem Mann wie Peer befreundet zu sein, grenzte nahezu an Luxus. Marlen nahm sich vor, ihn nie mehr aus den Augen zu lassen. Und im richtigen Moment zuzuschlagen.
»Alles in Ordnung«, bestätigte sie. Ihre Blicke wanderten von seinem Profil hinunter zu seinen Händen, die fest und zuverlässig das Lenkrad umklammert hielten. Genauso fest und zuverlässig würden diese Hände sie in schwierigen Zeiten durchs Leben tragen.
Dieser Gedanke schien Marlen dann doch zu spektakulär. Sie verscheuchte ihn kurzerhand. Statt dessen entwarf sie in groben Zügen ihr neues Leben mit Lisa. Angenommen, sie reduzierte ihre Arbeitszeit, dann konnte sie unmöglich länger ihren Anteil an der Miete aufbringen. Nicht im bisherigen Umfang. Als freie Journalistin benötigte sie jedoch unbedingt ein eigenes, bescheidenes Arbeitszimmer. Mit Computer, ISDN-Anschluß und Fax. Sowie ein Kinderzimmer für Lisa und ein eigenes Schlafzimmer für sie selbst. Optimal wäre natürlich noch ein weiteres Zimmer, in dem sie ihre Besucher empfangen konnte. Alles zusammen bedeutete das den sicheren Umzug.
Während sie in Gedanken versunken aus dem Fenster starrte, plauderten Hella und Peer angeregt über steigende Aktienpreise, gewagte Spekulationen und zinsgünstige Darlehen zur Gründung einer eigenen Schaffarm. Lisa verschlief den größten Teil der Fahrt. Das Schaf meldete sich von Zeit zu Zeit mit einem satten Blöken zu Wort. So verlief die Rückfahrt von Frankfurt nach Düsseldorf für alle Beteiligten zur Zufriedenheit.
Barbara wirkte bei weitem weniger zufrieden – was leicht untertrieben war. Bei näherer Betrachtung wirkte sie zerschmettert. Dem Erdboden gleichgemacht. Selbst für ihre besten Freundinnen kaum wiederzuerkennen. Obwohl es bereits später Nachmittag war, trug sie noch immer ihren Schlafanzug, ein verschlissenes Exemplar aus Flanell, dessen Bärchen-Muster aus den letzten Tagen ihrer Kindheit stammen mußte. Ein frischer Marmeladenfleck prangte auf dem Revers, was höchste Alarmstufe signalisierte. Toastbrot mit fingerdick aufgetragener Marmelade stand bei Barbara nur an ausgesprochenen Krisentagen auf der Speisekarte.
»Ich werde mein Leben von Grund auf ändern«, murmelte sie düster.
Marlen und Hella tauschten verständnisinnige Blicke.
Weitere Kostenlose Bücher