Frauen al dente. (German Edition)
nicht so schlecht: Drei Zimmer, KDB, Balkon, Stadtmitte. Besichtigung in der Zeit von 10 bis 12 Uhr. Wenn sie sich beeilte, würde sie es noch schaffen.
Himmel, sie war noch nicht einmal gewaschen. Marlen rannte ins Bad, schlüpfte aus Bademantel und Nachthemd und stellte sich unter die Dusche. Das heiße Wasser prasselte auf sie nieder, und sie hielt ihr Gesicht unter den Strahl. Genau das richtige für cognacgeschädigte Mittdreißigerinnen. Sie goß sich einen kräftigen Klecks Shampoo in die Hand und schäumte das Haar ein. Doch als sie es ausspülen wollte, stellte sie fest, daß der Wasserdruck nachgelassen hatte. Das Wasser tropfte nur noch spärlich auf sie herab. Ein Tropfen, noch einer. Und noch einer. Dann war Schluß.
Sie rüttelte an der Duschstange, schlug mit der flachen Hand gegen die dahinterliegenden Kacheln. Sie fluchte wie ein Müllkutscher.
Doch das Wasser blieb aus.
Marlen allein zu Haus, dachte sie in einem Anfall von Galgenhumor. In all den Jahren, in denen sie gemeinsam mit ihren Freundinnen in dieser Wohnung lebte, war ihr noch nie aufgefallen, daß tagsüber das Wasser abgestellt wurde. Heftig rüttelte sie erneut am Duschgestänge. Zu heftig. Jedenfalls löste sich der Vorhang nun an zwei Stellen aus der Verankerung. Darum würde sie sich später kümmern, im Augenblick interessierte sie mehr, wie sie den Schaumberg aus ihren Haaren waschen sollte. Düsseldorf galt zwar als Modestadt, doch ob die Zeit schon für ihre neue Haarschaum-Kreation reif war, bezweifelte sie stark.
Marlen drehte versuchsweise den Wasserhahn am Waschbecken auf. Ein schmales Rinnsal, dann war auch hier Schluß. Die Toilettenspülung? Igitt! Auch in der Küche – nichts. Was nun? Niemand zwang sie, ausgerechnet heute eine Wohnung zu besichtigen. Sie konnte in Ruhe abwarten, bis irgendein Angestellter des Wasserwerks Erbarmen zeigte und den richtigen Hahn wieder aufdrehte.
Doch das wollte sie nicht. Einfach abzuwarten und die Hände in den Schoß zu legen, war noch nie ihr Ding gewesen. Handeln lautete das Gesetz der Stärke.
Also war Trockenrubbeln angesagt. Marlen schnappte sich das erstbeste Handtuch, das ihr unter die Finger kam. Doch durch die filzig-klebrige Masse auf ihrem Kopf fand ihr Kamm keinen Weg mehr hindurch. Kurz entschlossen klammerte Marlen alles zu einem Tuff zusammen und stülpte ihren geliebten Strohhut darüber, der noch aus alten Eifeltagen stammte. Bösartige Zungen behaupteten, sie sähe damit wie eine Vogelscheuche aus, doch das war ihr nun egal.
Kurz vor zwölf stand sie mit Lisa vor der angegebenen Adresse, einem grauen Gebäude mit Toreinfahrt und Hinterhof. Aufgeklebte Hinweise führten verwinkelte Gänge entlang. Alles wirkte schmutzig und heruntergekommen. Eigentlich hätte sie auf dem Absatz kehrt machen sollen. Dies war nicht die richtige Umgebung für ein Kind. Doch die Neugier siegte. Wenn sie schon einmal hier war, wollte sie auch wissen, was der Markt zu bieten hatte.
Zumindest ihr journalistisches Interesse wurde dank ihrer Hartnäckigkeit belohnt. Die angepriesene Wohnung entpuppte sich als das verlassene Etablissement einer Prostituierten. Im Schlafzimmer glutrote Seide und Spiegel, wohin das Auge schaute. Eine runde, überdimensionale Badewanne lud im Zimmer daneben zu Badespielen ein. Der dritte, kleinste Raum bestach durch die bizarre Anordnung diverser Haken und Ringe an Wänden und Decke. Das Reich der Domina.
»Warum hat die Vormieterin die Wohnung aufgegeben? Es ist doch schade um die Einrichtung«, fragte Marlen ernsthaft interessiert.
Der Makler war ein abgebrühter Mensch, der mit seinem Goldkettchen um den Hals selbst wie ein Zuhälter wirkte.
»Die Dame hat Pech gehabt. N' Arbeitsunfall, sozusagen. Man fand sie dort drüben in der Wanne. War 'ne ziemliche Sauerei. Doch jetzt ist sie wieder okay, die Wanne.«
Danke. Das genügte. Mit Lisa auf dem Arm flüchtete Marlen. Ein Königreich für frische Luft.
Erst etliche Straßen weiter verlangsamte sie denSchritt. Sie schob den Kinderwagen eine belebte Einkaufsstraße entlang. Hier waren die Auslagen der Geschäfte nicht ganz so glitzernd und edel wie auf der Kö, doch immer noch sehr verlockend. Das blau-weiß gestreifte Oberhemd dort drüben zum Beispiel würde Martin bestimmt wunderbar stehen. Endlich einmal etwas Feineres als immer nur seine Billighemden. Es war schon erstaunlich, daß ein erfolgreicher Anwalt wie er so wenig aus sich machte. Er brauchte jemand, der ihn modisch beriet. Wenn sie ihn
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