Frauen al dente. (German Edition)
gerade eine Auszeit.
Lisa nicht. Energisch verlangte sie nach einer vollen Flasche und einer frischen Windel. Mutterglück.
Mit dem Baby auf dem Arm betrat Marlen wenig später die Küche. Wie ein Gespenst, das sich in der Tageszeit geirrt hatte.
Hella, im hellgrauen Bankerlook, lief an ihr vorbei in die Küche, goß sich in Eile eine Tasse Kaffee ein, stellte sie jedoch wieder ab, nachdem sie sich die Zunge verbrannt hatte. Barbara schäumte vor guter Laune geradezu über und trällerte lauthals den Whitney-Houston-Song ›Step by Step‹. Im schlichten, rosafarbenen Hemdblusenkleid wirkte sie mit ihren grauen Haaren wie die jüngere Ausgabe der Nivea-Frau aus der Werbung für die reife Haut. Mittendrin hockte völlig ungerührt Martin Bode, emsig an einem Stück Brot mit Butter kauend. Einen anderen genießbaren Brotbelag hatte er in diesem Haushalt nicht auftreiben können. Es wurde Zeit, daß endlich einmal wieder jemand nach dem rechten sah. Wobei sich sämtliche Augenpaare auf Marlen richteten. Während sie Lisa die Flasche gab, verfinsterte sich ihre Miene. Soviel Dynamik am frühen Morgen war kaum auszuhalten.
»Was seid ihr heute morgen alle so hektisch?« brummte sie vorwurfsvoll. Einen Moment lang schienen alle in ihrer Bewegung zu verharren, um dann um so geschäftiger fortzufahren.
Hella schwang sich als erste zu einer Reaktion auf. »Wir sind doch jeden Morgen so. Und du bist oft die Hektischste von uns allen.« Sie warf einen Blick auf ihreArmbanduhr. »Schon so spät! Ich muß los.« Sie ergriff ihren Aktenkoffer.
In Marlen regte sich das ungute Gefühl, mit Hella noch einmal über Lisa sprechen zu müssen, doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt. Vielleicht später.
»Kannst du mir dein Bogner-Tuch ausleihen, Hella? Es paßt so gut zu meinem Kleid«, bat Barbara.
»Nimm es dir. Du kannst es geschenkt haben.« Hella ignorierte Barbaras ungläubiges Staunen. Der heutige Tag mußte im Kalender angestrichen werden. Hella pflegte ihre Tücher nicht zu verleihen, und schon gar nicht zu verschenken.
»Bevor ich es vergesse …« Hella kramte aus ihrer Handtasche eine buntbemalte Babyrassel für Lisa hervor, die das neue Spielzeug mit Interesse begutachtete. »Eigentlich wollte ich es ihr schon gestern geben …«
Marlen nahm die Andeutung mit sehr gemischten Gefühlen auf. Beinahe wäre sie zusammengezuckt, als Hella sich nun wieder ihr zuwandte. »Ich treffe mich übrigens gleich mit deinem Peer!« sagte Hella leichthin.
»Er ist nicht mein Peer. Du kannst ihn haben«, reagierte Marlen postwendend. Zufällig begegnete ihr Blick Martins breitem Grinsen. Einer undefinierbaren Mischung aus Schadenfreude, Genugtuung und gelassener Zufriedenheit.
Martin war auch so ein Fall. Viele Gedanken, doch keinen sprach er aus. Nie wußte frau, womit sie bei ihm dran war.
»Kommst du, Martin?« Barbara legte Martin auffordernd die Hand auf die Schulter. Hellas Bogner-Tuch hatte sie dezent um die Schultern drappiert.
Mißtrauisch beäugte Marlen die beiden. Das durfte doch nicht wahr sein. Sie hatte Martin immer für den farblosesten Typen gehalten, der unter dieser Sonne herumlief, doch er schien über ungeahnte Anziehungskraft zu verfügen. Erst erwischte sie ihn mit Hella in trauterUmarmung, jetzt zog sogar Barbara mit ihm los. Wieso interessierten sich plötzlich alle für ihn? Welche Qualitäten besaß er, die sie noch nicht bei ihm entdeckt hatte?
Marlen blieb mit Lisa allein vor den Resten des kümmerlichen Frühstücks zurück. Noch immer fühlte sie sich elend. Und das lag nicht nur an den vielen Cognacs der letzten Nacht. Sondern auch daran, daß alle hinaus ins pulsierende Leben strömten, sie aber mit Lisa auf dem Schoß zurückbleiben mußte. Lagerkoller in der ersten Minute ihres neuen Lebens? Wenn das nicht übertrieben war.
Eine waschechte Depri drohte am Horizont.
Marlen verdrückte eine Träne, knabberte an ihrem Knäcke und überlegte, was sie mit dem Tag anfangen sollte. Zehn Minuten lang spielte sie mit Lisa und ihrer neuen Rassel, dann gönnte sich das Baby ein Vormittagsnickerchen.
Keine schlechte Idee. Endlich einmal ausschlafen. Der Wunschtraum jeder Mutter. Andererseits – anstatt kostbare Stunden im Bett zu vertrödeln, sollte sie lieber etwas Nützliches unternehmen. Zum Beispiel sich um eine neue Wohnung kümmern. Sie schlug die Zeitung auf und suchte mit dem Finger die Spalten der Rubrik Mietwohnungen ab. Heute war Mittwoch und das Angebot groß. Hier, das klang gar
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