Frauen al dente. (German Edition)
unter ihre Fittiche nehmen würde, wäre er bald nicht mehr wiederzuerkennen.
Das Hemd lockte noch immer. Ob sie …? Wieso eigentlich nicht? Immerhin stand sie bei ihm in der Schuld.
Zehn Minuten später baumelte das Hemd in einer Papiertüte an Lisas Kinderwagen. Sie hatte es in dunkelblaues Geschenkpapier einwickeln lassen. Martin würde Augen machen, wenn er es auspackte. Hoffentlich gefiel es ihm. Immerhin war es ein kleines Vermögen wert.
Ob sie ihn mit Lisa einfach im Büro überraschen sollte? Seine Kanzlei lag ganz in der Nähe. Vielleicht ließ er sich an diesem herrlichen Sommertag sogar zu einem Picknick im Park überreden.
Versuchen wir's, ermutigte sie sich selbst.
Sie kaufte Schinkenbaguettes, frischen Salat, Bananen und mehrere Dosen Mineralwasser ein. Einen Pikkolo spanischen Sekt lagerte sie unter Lisas Kinderwagendecke.
Marlen spürte ein leichtes Kribbeln im Bauch, als sie die Klingel zu Martins Kanzlei drückte. Wie würde er reagieren? Erfreut oder entsetzt? Ihr gegenüber verhielt er sich immer ziemlich neutral. Für alle anderen aus ihrem Haushalt zeigte er jedenfalls zehnmal mehr Interesse als für sie. Und nach letzter Nacht…
Als der Türsummer ansprang, beschloß Marlen, es darauf ankommen zu lassen. Mit klopfendem Herzen stieg sie die Stufen hinauf.
Sie kannte die Frau im Vorzimmer nicht.
»Bedaure. Herr Rechtsanwalt ist bei Gericht. Vor dem späten Nachmittag kommt er nicht zurück.« Dabei musterte sie Marlen von Kopf bis Fuß. Besonders der alte Strohhut, unter dem einige verklebte Haarsträhnen hervorschauten, hatte es ihr angetan. Es war ihr am Gesicht abzulesen, daß sie Marlen in die Kategorie ›Abgebrannt und nicht vertrauenswürdig‹ einsortierte.
Was nun? Unschlüssig zog Marlen das Hemd für ihn aus der Papiertüte. Martins Sekretärin schreckte zurück. Wahrscheinlich hatte sie mit einem Maschinengewehr gerechnet. Ihre Hand schwebte jedenfalls alarmbereit über dem Telefon. Als ob Marlen ihr im Ernstfall noch die Zeit geben würde, die Polizei zu verständigen. Für wie blöd hielt sie sie eigentlich?
Marlen bat sie um Papier und einen Stift. Sicherlich konnte sie ihm das Hemd auch irgendwann einmal schenken. Doch es war nicht dasselbe. Spontan gekauft sollte auch spontan geschenkt werden.
Als Dank und Wiedergutmachung für letzte Nacht, schrieb sie und faltete das Blatt sorgfältig zusammen. Sie fraß einen Besen, wenn seine Sekretärin sich nicht auf die Nachricht stürzte, sobald sie zur Tür hinaus war.
Zu schade, daß der Überraschungscoup nicht geklappt hatte. Dann mußten Lisa und sie eben allein durch den Park schlendern. Hier saßen massenhaft Mütter mit ihren Sprößlingen herum. Allein oder zu zweit. Frauen unter sich. Sie fand eine freie Bank in der Nähe des Spielplatzes, auf der sie es sich bequem machte. Ihr Magen forderte knurrend sein Recht. Ob er das Schinkenbaguette schon wieder vertrug?
Wie viele Parks existierten eigentlich in Düsseldorf, fragte sie sich, während sie den ersten Bissen mit Bedacht zerkaute. Wie lange würde sie brauchen, um sie alle nacheinander gemeinsam mit Lisa zu entdecken? Und was würde in dieser Zeit mit ihrem Gehirn passieren?
Würde es schrumpfen? Oder würde sie eines Tages Wettkönigin in der Sendung ›Wetten das?‹ werden? Weil sie als einzige Frau der Welt alle Kinder- und Sportwagenmarken am Klang ihrer Reifen erkennen konnte?
Marlen zog den Pikkolo unter Lisas Decke hervor, schraubte den Plastikkorken ab und setzte die Flasche an die Lippen. Ein Hagel strafender Blicke prasselte auf sie herab, unter dem Marlen sich unwillkürlich duckte. Um als Mutter perfekt zu sein, mußte sie noch einen weiten Weg zurücklegen.
Mit Stöckelschuhen auf dem Hochseil. Unsicherheit hoch drei. Prost, Marlen!
Kapitel 22
Barbara schwebte eine Handbreit über dem Boden durch die Düsseldorfer Altstadt und wunderte sich, daß keiner der übrigen Passanten es bemerkte. Gelegentlich fing jemand ihr breites Grinsen auf und warf es zurück. Dann hätte sie ihm am liebsten zugejubelt. Denn sie fühlte sich am Ziel aller ihrer Träume. Geld satt und die Freiheit, tun und lassen zu können, was ihr gerade einfiel.
Das einzige Problem dabei war, daß sie immer noch nicht so recht wußte, was sie eigentlich wollte. Immerhin war sie schon so weit zu wissen, was sie nicht wollte. Nämlich einer Karriere nachjagen, für die sie nicht bestimmt war. Und sie wollte auch nicht aus purem Opportunismus zu ihrer Mutter oder zu sonst
Weitere Kostenlose Bücher