Frauen, die Geschichte machten
Waffen.
Nicht zu jedermanns Freude, wie Stefan Zweig notierte: »Man nahm diese leidenschaftliche Monotonie des Gedankens für Armut,
seine Sinnfälligkeit für Banalität. Einige begannen sich zu ärgern, sie dachten: was es wohl Not tue, mitten im Frieden immer
nach Frieden zu rufen. Sie galt unserer scheinklugen Welt als Gespensterseherin, und die öffentliche Meinung drückte sie allmählich
in den Winkel hin, knapp neben dem Narrentum.« Das schrieb der Dichter 1917, als Ströme von Blut und Tränen Bertha von Suttner
längst aufs Tragischste bestätigt hatten.
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Emmeline Pankhurst
Votes for Women!
|212| »Wir handeln nicht unrecht, wir handeln richtig, wenn wir unsere revolutionären Methoden gegen privates Eigentum anwenden.
Es ist unsere Aufgabe, auf diese Weise die richtigen Werte wieder einzusetzen und den höheren Wert der Menschenrechte gegenüber
den Eigentumsrechten zu betonen. Sie wissen sehr genau, dass das Eigentum in den Augen der Menschen einen Wert erlangt hat,
und auch in den Augen des Gesetzes, den es niemals beanspruchen sollte. Eigentum wird über die menschlichen Werte gesetzt.
Das Leben, die Gesundheit, das Glück … der ganzen Menschheit werden jeden Tag in dieser Welt bedenkenlos dem Gott des Eigentums
geopfert.«
Ein Text aus einer Studentenzeitung von 1968, als über Gewalt gegen Sachen und Gewalt gegen Personen debattiert wurde? Nein,
er stammt aus dem Jahr 1913 oder 1914, und seine Autorin ist die britische Frauenrechtlerin Emmeline Pankhurst. Sie begründet
damit ihre Berechtigung, nachdem die friedfertige Politik nicht zum Erfolg geführt hat, nunmehr Fensterscheiben einzuwerfen,
Briefkästen anzuzünden und Telefonleitungen zu beschädigen.
Deutlich die Parallelen zwischen der 68er-Bewegung und dem Kampf um das Wahlrecht: Ein halbes Jahrhundert vor den revoltierenden
Studenten befanden sich die Frauenrechtlerinnen schon in ganz ähnlicher Lage, und sie erprobten bereits die Kampfformen, die
später als neue Möglichkeiten der Auseinandersetzung reklamiert wurden: Teach-Ins, Go-Ins, das Provozieren und Lächerlichmachen
des Gegners, das Eindringen in Versammlungen, der zivile Ungehorsam, der kalkulierte Gesetzesverstoß, das Versteckspiel mit
der Polizei, die Inanspruchnahme der Straße für die Agitation, das Ausnutzen der Medien für das eigene Anliegen. Und auch
die allmähliche und dann immer raschere Radikalisierung, schließlich die Drangabe der persönlichen Gesundheit in Hunger- und
Durststreik-Kampagnen. In der kämpferischen Frauenbewegung vor dem Ersten Weltkrieg findet sich der Streit um die reine Lehre
wie später in den K-Gruppen, autoritäres Gehabe der Führung und zuletzt Gedanken wie von Ulrike Meinhof, nur dass die Frauenbewegung
– dies der stärkste Unterschied – »nur« das eigene Leben aufs Spiel setzte, nicht das von anderen und selbst das ihrer Gegner
nicht.
Suffragetten nannte man die Frauenrechtlerinnen damals. Das war zunächst abfällig gemeint. Die konservative Londoner »Daily
Mail« hatte den Begriff in die Welt gesetzt. Er leitete sich vom lateinischen
suffragium
= Stimmrecht ab |213| und war ein Diminutivum, eine Verkleinerungs- oder Verniedlichungsform wie Stiefelette oder Zigarette. Aber den militanten
Frauen galt er bald als Ehrentitel. Das Stimmrecht war das A und O dieser Bewegung, hier setzte sie den Hebel an, denn vom
Stimmrecht hing die Befreiung der Frau ab. Am klarsten vertrat diesen Standpunkt Emmeline Pankhurst. Ihre Memoiren bekunden,
wie unbeugsam und zäh sie den Kampf um das Stimmrecht führte. Liest man heute darin, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren,
dass es im Leben dieser Frau offenbar nichts anderes gab als eben diesen einen politischen Gedanken: Her mit dem Stimmrecht
für Frauen! Das Erstaunliche ist aber, dass die grandiose Einseitigkeit der Emmeline Pankhurst auch von anderen Frauen ihrer
Generation geteilt wurde. Tausende dachten so, Tausende opferten Geld, Arbeitskraft, Gesundheit für das eine Ziel, das Frauenwahlrecht
hieß.
Emmeline Pankhurst wurde am 14. Juli 1858 in Manchester als drittes Kind des Unternehmers Robert Goulden und seiner Frau Sophia
Jane Crane geboren. Beide Eltern engagierten sich politisch, für die Aufhebung der Sklaverei, für das Frauenwahlrecht und
gegen das Getreidezollgesetz, das die reichen Großgrundbesitzer begünstigte und die Armen benachteiligte. Die im Elternhaus
herrschenden liberalen
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