Frauen, die Geschichte machten
außerdem auch um den Anspruch auf eine abendländische Vormachtstellung, wie sie die römischen Imperatoren innegehabt hatten.
Seit Karl der Große die Kaiserkrone übernommen hatte, bemühten sich die Herrscher um Anerkennung als Erben Roms, das nach
der Überlieferung das letzte Reich auf Erden war vor dem Jüngsten Gericht.
Otto I. hatte mit der Ausdehnung seiner Macht auch auf Italien einen großen Schritt in diese Richtung getan. Am Ziel aber
waren er und sein Haus trotz Kaiserkrönung durch den Papst 962 noch nicht, denn den Rang des Weltherrschers und mithin legitimen
Erben wenigstens des Weströmischen Reiches machte ihm der Kaiser von Byzanz, also der oströmische Herrscher streitig. Er konnte
auf eine ununterbrochene Machttradition verweisen, während Otto auf den Besitz Roms, des Herzens des einstigen Weltreichs,
pochte. Im Grunde wiederholte sich die Situation des Jahres 396, als sich in Italien und in Konstantinopel (Byzanz) je ein
römischer Kaiser etabliert hatte. Dieses Nebeneinander setzte sich nun zwischen dem Deutschen und dem Byzantiner fort und
erhielt zusätzlichen Zündstoff dadurch, dass Byzanz seit Kaiser Justinian (483–565, reg. seit 527) Ansprüche auf Süditalien
erhob.
Nichts, so erkannte Otto, würde die Konfliktlage besser entschärfen als die Einheirat einer byzantinischen Prinzessin in das
sächsische Herrscherhaus. Er |67| hatte es selbst so gehalten, als er auf die Hilferufe der Witwe König Lothars I. von Italien dort eingegriffen hatte. Otto,
seinerseits ebenfalls Witwer, befreite damals die von Lothars Nachfolger Berengar II. gefangen gesetzte 20-jährige Adelheid
und sicherte seine Herrschaft über das Kernland des früheren Imperiums, indem er sie am Weihnachtstag 951 heiratete und damit
noch weitere Ansprüche auf Provence, Arles und Burgund gewann. Eine hochrangige Byzantinerin für seinen Sohn Otto II., 967
zum Mitkaiser erhoben, würde ähnlich gute Dienste tun, den Zankapfel Süditalien (Apulien und Kalabrien) beseitigen und die
erwünschte Anerkennung aus Ost-Rom ermöglichen.
Ottos Delegierte machten sich zum Bosporus auf, wo sich ihre Aufgabe allerdings erheblich schwieriger gestaltete als vermutet.
Wie so oft bestimmten Thronwirren die politische Lage in Byzanz. Kaiser Nikephoros II. Phokas, selbst ein Usurpator, war 969
ermordet worden. Doch nicht der legitime Thronerbe Basileios folgte nach, sondern ein Vetter des Ermordeten, Johann I. Tzimiskes,
ein armenischer General, riss die Macht an sich. Er regierte nun zwar, gehörte aber nicht zum angestammten Kaiserhaus. Ottos
Chefwerber Erzbischof Gero von Köln musste angesichts der schwierigen Umstände lange antichambrieren, ehe er sein Begehr dem
neuen Herrscher vortragen konnte, der sich zunächst um die Sicherung seiner Position hatte kümmern müssen.
Natürlich wollte der Emporkömmling nichts von einer Verbindung der von ihm entmachteten Dynastie mit dem Westherrscher Otto
wissen. Er war nur bereit, eine Nichte aus der eigenen Sippe abzustellen. Gero blieb nichts anderes übrig, als einzuwilligen,
denn wer konnte schon wissen, ob sich die neuen Herren in Konstantinopel nicht auf Dauer etablieren würden. Da war eine Generalsnichte
ja auch schon etwas, zumal ein potenzieller Kriegsgegner damit ruhig gestellt werden konnte, von dem in Süditalien am ehesten
Gefahr ausgehen würde. Gero und seine 25-köpfige Delegation nahmen also die junge Theophanu in Empfang, die zwischen 13 und
16 Jahre alt war, und geleiteten sie im Frühjahr 972 zu Schiff nach Benevent. Schon der Übergabeort war ein Zeichen der Versöhnung,
denn er lag in dem zwischen Otto und Byzanz strittigen Gebiet.
Der Kaiser hielt sich zu dieser Zeit in Rom auf, wo er von seinen Räten gedrängt wurde, Theophanu unverzüglich zurückzuschicken.
Sie sei ja gar nicht standesgemäß, weil nicht »purpurgeboren« (
porphyrogenita
), wie echte Kaisersprösslinge wegen des mit purpurnem Wandbehang ausgeschlagenen Geburtszimmers im byzantinischen Palast
genannt wurden. Sie sei doch nur irgendeine Offizierstochter. Doch Otto behielt Theophanu, die ihm, dem inzwischen 60-jährigen
kantigen Patriarchen, ausnehmend gut gefiel mit ihren feinen Sitten, aber auch wegen der kostbaren Geschenke, die man ihr
mitgegeben hatte. Darunter waren Reliquien des heiligen Pantaleon, einem der 14 Nothelfer und Schutzpatron der Hebammen –
ein gutes Omen für reichen Kindersegen, der |68| in diesen Zeiten wegen
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