Frauen, die Geschichte machten
Versuchen, auf die Papstwahl in Rom Einfluss zu nehmen oder die Päpste zur Änderung
ihrer Haltung gegenüber den Monophysiten zu bringen, war kein Erfolg beschieden. Im Nachhinein muss man Theodora einen weltpolitischen
Weitblick zugestehen, den die Lenker des Byzantinischen Reiches nicht hatten. Deren Orientierung nach Westen brachte nichts
ein, das im alten Glanz erneuerte römische Weltreich blieb Chimäre. Dagegen bewirkte der Kampf gegen den Monophysitismus eine
Abkehr der Kirchen in Ägypten und Syrien vom Byzantinischen Reich. Dem Vordringen der Araber im folgenden Jahrhundert setzten
diese dann auch keinen Widerstand entgegen, ging es ihnen unter dem toleranten Islam doch immer noch besser als unter den
orthodoxen Eiferern aus Konstantinopel.
543 wütete die Pest in der byzantinischen Hauptstadt. Auch Justinian wurde von ihr befallen, aber anders als Hunderttausende
seiner Untertanen überlebte er. In den Monaten aber, da er krank darnieder lag, musste Theodora die Regierung ganz übernehmen.
Die Kriege im Westen waren noch immer im Gang, im Osten hatten gerade neue Auseinandersetzungen mit Persien begonnen. Theodora
packte die Zügel des Staatswesens mit fester Hand und meisterte die Krise, sie erteilte Generälen Befehle, als hätte sie ihr
Lebtag nie etwas anderes getan.
|64| Theodora starb am 28. August 548. Krebs war die Ursache ihres frühen Todes. Ihre Ehe war kinderlos geblieben. Justinian überlebte
seine Gemahlin um 17 Jahre. In der Kirche San Vitale in Ravenna sind die Porträts des Kaiserpaars erhalten. Sie entstanden
545 bis 547, also noch zu beider Lebzeiten. Die Majestäten standen allerdings nicht Modell, in Italien sind sie nie gewesen.
Ravenna war der wichtigste Stützpunkt des Byzantinischen Reiches in Italien. Die Kaiserbilder finden sich auf Mosaiken, die
in der Apsis einander gegenübergestellt sind. Justinian, eine Schüssel mit Opfergaben in der Hand, ist umgeben von geistlichen
und weltlichen Würdenträgern und einer Gruppe von Kriegern. Seine Frau, ebenfalls mit einem Opfergefäß, hat neben sich zwei
männliche Personen, möglicherweise ihre Diener-Eunuchen sowie sieben Frauen, vermutlich Hofdamen. Theodora trägt eine Purpurrobe
über einem weißen Kleid mit Brokatsaum. Ihren Kopf mit dem schmalen, alterslosen Gesicht und den großen Augen schmückt ein
kunstvolles Diadem, von dem Perlenketten herabhängen, außerdem türkisfarbene Ohrringe und Anhänger aus Gold. Um den Hals schlingt
sich eine Kette aus farbigen Steinen. Alle Figuren auf den beiden Mosaiken sind unnatürlich lang gestreckt. Aber Theodora
überragt ihr Gefolge noch, steil aufgerichtet, blickt sie hoheitsvoll nach vorn. Die Gleichwertigkeit der Frauengruppe gegenüber
dem Männer-Mosaik ist offensichtlich. Aber der Künstler hat noch ein Übriges getan, um Theodora hervorzuheben. Während Justinian
und seine Begleiter auf einer schmucklosen glatten goldenen Fläche stehen, ist die Umgebung der Frauen reicher ausgestaltet.
Farbige Vorhänge bauschen sich, man sieht ein Taufbecken und Details einer Kirchenarchitektur, eine flache, grüngoldene Kuppel,
und diese wölbt sich genau über Theodora – als wäre es ein himmlischer Baldachin.
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Theophanu
Die kluge Byzantinerin
|66| Germanische Völkerschaften beerbten das Römische Reich und führten dessen Kaisertum weiter. Das hatte vielleicht auch damit
zu tun, dass bei ihnen Frauen weit mehr Rechte hatten als im alten Rom. Nun war es nicht etwa so, dass bei den Goten oder
den Franken die Frauen das Sagen gehabt hätten, doch mitreden und gegebenenfalls stellvertretend für den verhinderten oder
verstorbenen Mann eintreten, das durften sie nicht nur, das war ihnen Verpflichtung. Gerade in hohen und höchsten Kreisen
konnte das schwer wiegende Folgen haben. Entsprechend sorgfältig achtete die Familie bei der Auswahl der Ehefrau eines Erben
darauf, dass sie nicht nur standesgemäß war, sondern auch die nötigen Fähigkeiten mitbrachte. An der Spitze des Staates, beim
angehenden König oder Kaiser, spielte obendrein politische Rücksichtnahme eine erhebliche Rolle. Mit einer Heirat ließen sich
neue Besitzstände schaffen und mithin Machtpositionen, die für das künftige Wohl und Wehe einer Dynastie und eines Reiches
ausschlaggebend sein konnten.
Im Heiligen Römischen Reich, also in Deutschland und Italien, über das Kaiser Otto I., später der Große genannt, gebot, ging
es
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