Frauen, die Geschichte machten
unfruchtbar war. Auch Elisabeth war es, weil die Halbschwester sie
mit krankhaftem Argwohn verfolgt hatte. Einst verdächtigte sie Elisabeth sogar, einer Verschwörung gegen sie vorzustehen,
und ließ sie im Tower einsperren. Als Elisabeth das
Traitor’s Gate
, das Verräter-Tor, das sich schon hinter ihrer Mutter geschlossen hatte, passierte, hatte sie nur noch den einen Wunsch gehabt,
gestand sie später einmal, mit dem Schwert und nicht mit dem Beil hingerichtet zu werden. Marias |130| Misstrauen war so unbegründet nicht gewesen. Denn wenn auch die Komplott-Beteiligung aus der Luft gegriffen war, so sorgte
Elisabeths Popularität als »reine« Engländerin doch für Unruhe. Schließlich aber hatte auch Maria mit ihr ihren Frieden gemacht
und sie auf dem Totenbett sogar für die Nachfolge empfohlen.
Das war so selbstverständlich nicht, denn auch eine andere Frau konnte mindestens so berechtigte Ansprüche auf die Thronfolge
geltend machen wie Elisabeth: Maria Stuart. Diese war zwar neun Jahre jünger als ihre Kusine Elisabeth, wies aber in ihrer
Abstammung von König Heinrich VII., dem Gründer des Hauses Tudor, keinen Makel auf. Schließlich war Elisabeth aus der Sicht
des Papstes unehelich geboren. Und da vor allem der Norden Englands noch stark katholisch geprägt war, hatte Maria keine schlechten
Aussichten auf den Thron – wenngleich sie ihn auch nicht beanspruchte. Den schottischen hatte sie schon kurz nach der Geburt
geerbt. Aber weil sie beim Tod von Maria als Ehefrau des französischen Königs Franz II. in Frankreich lebte und in Schottland
von ihrer Mutter Maria von Lothringen als Regentin vertreten wurde, kam sie zunächst nicht in Betracht für die englische Thronfolge.
Ihre Rechte aber blieben lange eine latente Bedrohung für Elisabeths Herrschaft.
Es galt daher für die 25-jährige Elisabeth, nach dem Ableben ihrer Halbschwester am 17. November 1558 und nach ihrer Krönung
am 5. Januar 1559 Tatsachen zu schaffen, die ihre Position festigten. Dazu gehörte zunächst einmal eine kluge Personalpolitik,
die in der Hauptsache in einer deutlichen Verkleinerung des Staatsrats bestand und weiterhin in der glücklichen Bestellung
von William Cecil, einem 38-jährigen Diplomaten, zum Staatskanzler. Dieses Amt entspricht dem heutigen Premierminister, allerdings
mit viel geringerer Machtbefugnis. Fast vier Jahrzehnte lang folgte er Elisabeths Weisungen, immer loyal, trotz gelegentlicher
Differenzen. Als der schon bald zum Lord Burghley erhobene William Cecil im Alter von 77 Jahren erkrankte, besuchte sie ihn
in den Monaten vor seinem Tod fast täglich und sorgte für ihren wertvollsten, nun hilflosen Mitarbeiter.
Darüber hinaus war eine rasche Klimaverbesserung im Lande vordringlich, d. h. eine verträgliche Lösung des religiösen Problems.
Obwohl sie jung und vom antirömischen Glauben ihres Vaters geprägt war, sah Elisabeth ein, dass ein vorschnelles und autoritäres
Handeln wie das ihrer Vorgängerin Maria die Gräben nur vertiefen würde. Behutsames Zurückrudern und eine gewisse Toleranz
den Katholiken gegenüber schien ihr eher Erfolg versprechend. Sie führte wieder den in englischer Sprache gehaltenen Gottesdienst
und das protestantische Abendmahl ein, verbot aber das Theologisieren in Predigten. Wer sich nicht daran hielt, musste mit
ihren Zwischenrufen rechnen. So fiel sie einmal ihrem Hofprediger ins Wort: »Lasst das! Das gehört nicht zum Gegenstand Eurer
Rede.« Diese gemäßigte Linie fand natürlich auch nicht überall Anklang, |131| vor allem nicht bei den Fundamentalisten beider Seiten. Im Nachhinein gesehen fuhr Elisabeth damit aber am besten, auch wenn
sie selbst manchen Kompromiss eingehen musste. Beispielsweise wollte sie gerne die Priesterehe wieder verbieten lassen, weil
unverheiratete Geistliche leichter zu lenken sind und keine erbrechtlichen Ansprüche erwerben. Damit drang sie jedoch nicht
durch.
Natürlich stand Elisabeth unter dem enormen Druck, dem Land einen Thronerben zu gebären und also zu heiraten. Als erster Heiratskandidat
empfahl sich Philipp II., Witwer ihrer Halbschwester und inzwischen König von Spanien und bald auch von Portugal. Diesen mächtigen
Mann durfte und wollte Elisabeth um keinen Preis verärgern, außerdem kam sein Antrag sehr gelegen. Mit dilatorischer Taktik
ließ sich die katholische Macht eine gewisse Zeit lang ruhig stellen, sodass von dort zunächst keine Störfeuer zu befürchten
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