Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Frauen, die Geschichte machten

Titel: Frauen, die Geschichte machten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Barth
Vom Netzwerk:
Fundament wurde von jesuitischen Erziehern und ihrer
     persönlichen Gouvernante, der Gräfin Charlotte Fuchs, geachtet. Sonst aber widmete sich die junge Maria Theresia ihren Liebhabereien,
     dem Tanz, dem Glückspiel und dem Bogenschießen. Später kam |149| noch das Reiten hinzu, das sie so halsbrecherisch betrieb, dass man um ihre Gesundheit fürchten musste.
    Und noch etwas nahm sie sich heraus, das damals keineswegs selbstverständlich war: Im Rahmen ihres Standes setzte sie es durch,
     einen Mann ihres Herzens heiraten zu dürfen. Als 19-jährige »Prinzessin voller Feuer«, wie der britische Gesandte nach London
     meldete, ließ sie sich vom neun Jahre älteren Franz Stephan, Herzog von Lothringen, in der Augustinerkirche zum Traualtar
     führen. Franz, in den sie sich nach eigener Aussage schon als Sechsjährige verguckt hatte, war ein stattlicher und liebenswürdiger
     Mann, damals aber ein Herrscher ohne Land, denn er hatte Lothringen 1735 an den Schwiegersohn des französischen Königs abtreten
     müssen. Erst zwei Jahre später wurde er mit dem Großherzogtum Toskana abgefunden. Fast drei Jahrzehnte währte das Eheleben
     mit dem etwas bequemen, aber sehr häuslichen und erstaunlich geschäftstüchtigen Mann, dessen formale Mitregentschaft ihre
     Kreise daheim kaum störte, obwohl er schon 1732 Statthalter von Ungarn geworden war.
    Bereits bei der Hochzeit war klar, dass die Pragmatische Sanktion greifen und dass Maria Theresia in Österreich, Ungarn und
     Böhmen dem Vater nachfolgen würde, denn ein männlicher Erbe war ausgeblieben. Mit der Sanktion hatten sich seinerzeit alle
     europäischen Mächte einverstanden erklärt. Als es aber 1740 so weit war, fühlten sich viele nicht daran gebunden. Und wie
     so oft bei Thronwechseln, wuchsen bei den ebenfalls gekrönten Häuptern ringsum Begehrlichkeiten. Am 12. Oktober folgte Maria
     Theresia, nur durch ihren Mann ein wenig politisch unterrichtet, ihrem am selben Tag verstorbenen Vater in der Regierung des
     weitläufigen Habsburgerreiches, das von Italien über deutsche Gebiete, die südlichen Niederlande im Norden und Westen bis
     zu den Karpaten im Osten reichte. Das Reich, zu dieser Zeit ziemlich heruntergewirtschaftet, war eben kein Staat und deshalb
     für Abspaltungen geradezu prädestiniert. Eine Frau würde das noch weniger verhindern können als ein Mann; sie würde schon
     alle Hände voll zu tun haben, ihre Position in den Kernländern zu sichern, unkten die Skeptiker.
    So hoffte auch der seit einem halben Jahr auf Preußens Thron sitzende Friedrich II. Er marschierte in Österreichisch-Schlesien
     ein und annektierte die Provinz unter fadenscheinigen Erbansprüchen. Alle Gegenangriffe schlug er erfolgreich zurück. Das
     war das Signal für eine allgemeine Jagd auf das österreichische Erbe. Kaum jemand erkannte noch die Thronfolge Maria Theresias
     an: Frankreich spekulierte auf die Niederlande; Spanien wollte das österreichische Italien; Bayern wollte Böhmen, Mähren,
     Oberösterreich und Tirol. Maria Theresia sollte nur der Rest, also nicht einmal mehr alle Kernländer, bleiben; sie wurde nur
     noch Königin von Ungarn genannt. Ihre Bundesgenossen England und Russland taten nichts, ringsum nur Feinde – die Lage war
     verzweifelt. Aber die junge Königin verteidigte standhaft ihr Land. Die Kraft dazu bezog sie aus |150| einem unerschütterlichen Vertrauen auf Gott, von dem sie sich als Treuhänderin an die Spitze des Landes gestellt fühlte und
     eine entsprechend hohe Verantwortung ihm und den Menschen gegenüber verspürte. Gebet und innere Einkehr waren ihr ein Bedürfnis.
    Bittere Jahre hatte sie in der Folgezeit durchzustehen. Nach Schlesien ging auch Böhmen verloren, die italienischen Besitzungen
     mussten vorübergehend aufgegeben werden, zeitweise war sogar Wien bedroht. Maria Theresia blieb – es war zur Zeit ihrer vierten
     Schwangerschaft – schließlich nur noch die Flucht nach Ungarn. Die Bayern brachen in Oberösterreich ein. Das Kaiserhaus Habsburg
     geriet in die schwerste Krise seit dem Dreißigjährigen Krieg. 1742 verlor die Dynastie sogar den deutschen Thron. In Frankfurt
     wurde Kurfürst Karl Albrecht von Bayern, unterstützt von Frankreich, zum Römischen Kaiser gewählt und gekrönt. Als Karl VII.
     bestieg er als erster Nicht-Habsburger seit 300 Jahren den deutschen Thron. Die Feinde Maria Theresias schienen auf ganzer
     Linie zu triumphieren, die »schwache« Frau auf dem Thron aber erklärte, sie werde

Weitere Kostenlose Bücher