Frauen, die Geschichte machten
Fundament wurde von jesuitischen Erziehern und ihrer
persönlichen Gouvernante, der Gräfin Charlotte Fuchs, geachtet. Sonst aber widmete sich die junge Maria Theresia ihren Liebhabereien,
dem Tanz, dem Glückspiel und dem Bogenschießen. Später kam |149| noch das Reiten hinzu, das sie so halsbrecherisch betrieb, dass man um ihre Gesundheit fürchten musste.
Und noch etwas nahm sie sich heraus, das damals keineswegs selbstverständlich war: Im Rahmen ihres Standes setzte sie es durch,
einen Mann ihres Herzens heiraten zu dürfen. Als 19-jährige »Prinzessin voller Feuer«, wie der britische Gesandte nach London
meldete, ließ sie sich vom neun Jahre älteren Franz Stephan, Herzog von Lothringen, in der Augustinerkirche zum Traualtar
führen. Franz, in den sie sich nach eigener Aussage schon als Sechsjährige verguckt hatte, war ein stattlicher und liebenswürdiger
Mann, damals aber ein Herrscher ohne Land, denn er hatte Lothringen 1735 an den Schwiegersohn des französischen Königs abtreten
müssen. Erst zwei Jahre später wurde er mit dem Großherzogtum Toskana abgefunden. Fast drei Jahrzehnte währte das Eheleben
mit dem etwas bequemen, aber sehr häuslichen und erstaunlich geschäftstüchtigen Mann, dessen formale Mitregentschaft ihre
Kreise daheim kaum störte, obwohl er schon 1732 Statthalter von Ungarn geworden war.
Bereits bei der Hochzeit war klar, dass die Pragmatische Sanktion greifen und dass Maria Theresia in Österreich, Ungarn und
Böhmen dem Vater nachfolgen würde, denn ein männlicher Erbe war ausgeblieben. Mit der Sanktion hatten sich seinerzeit alle
europäischen Mächte einverstanden erklärt. Als es aber 1740 so weit war, fühlten sich viele nicht daran gebunden. Und wie
so oft bei Thronwechseln, wuchsen bei den ebenfalls gekrönten Häuptern ringsum Begehrlichkeiten. Am 12. Oktober folgte Maria
Theresia, nur durch ihren Mann ein wenig politisch unterrichtet, ihrem am selben Tag verstorbenen Vater in der Regierung des
weitläufigen Habsburgerreiches, das von Italien über deutsche Gebiete, die südlichen Niederlande im Norden und Westen bis
zu den Karpaten im Osten reichte. Das Reich, zu dieser Zeit ziemlich heruntergewirtschaftet, war eben kein Staat und deshalb
für Abspaltungen geradezu prädestiniert. Eine Frau würde das noch weniger verhindern können als ein Mann; sie würde schon
alle Hände voll zu tun haben, ihre Position in den Kernländern zu sichern, unkten die Skeptiker.
So hoffte auch der seit einem halben Jahr auf Preußens Thron sitzende Friedrich II. Er marschierte in Österreichisch-Schlesien
ein und annektierte die Provinz unter fadenscheinigen Erbansprüchen. Alle Gegenangriffe schlug er erfolgreich zurück. Das
war das Signal für eine allgemeine Jagd auf das österreichische Erbe. Kaum jemand erkannte noch die Thronfolge Maria Theresias
an: Frankreich spekulierte auf die Niederlande; Spanien wollte das österreichische Italien; Bayern wollte Böhmen, Mähren,
Oberösterreich und Tirol. Maria Theresia sollte nur der Rest, also nicht einmal mehr alle Kernländer, bleiben; sie wurde nur
noch Königin von Ungarn genannt. Ihre Bundesgenossen England und Russland taten nichts, ringsum nur Feinde – die Lage war
verzweifelt. Aber die junge Königin verteidigte standhaft ihr Land. Die Kraft dazu bezog sie aus |150| einem unerschütterlichen Vertrauen auf Gott, von dem sie sich als Treuhänderin an die Spitze des Landes gestellt fühlte und
eine entsprechend hohe Verantwortung ihm und den Menschen gegenüber verspürte. Gebet und innere Einkehr waren ihr ein Bedürfnis.
Bittere Jahre hatte sie in der Folgezeit durchzustehen. Nach Schlesien ging auch Böhmen verloren, die italienischen Besitzungen
mussten vorübergehend aufgegeben werden, zeitweise war sogar Wien bedroht. Maria Theresia blieb – es war zur Zeit ihrer vierten
Schwangerschaft – schließlich nur noch die Flucht nach Ungarn. Die Bayern brachen in Oberösterreich ein. Das Kaiserhaus Habsburg
geriet in die schwerste Krise seit dem Dreißigjährigen Krieg. 1742 verlor die Dynastie sogar den deutschen Thron. In Frankfurt
wurde Kurfürst Karl Albrecht von Bayern, unterstützt von Frankreich, zum Römischen Kaiser gewählt und gekrönt. Als Karl VII.
bestieg er als erster Nicht-Habsburger seit 300 Jahren den deutschen Thron. Die Feinde Maria Theresias schienen auf ganzer
Linie zu triumphieren, die »schwache« Frau auf dem Thron aber erklärte, sie werde
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