Frauen, die Geschichte machten
Gemütsverfassung.«
Am 25. Dezember 1761 starb Kaiserin Elisabeth I. Wie vorgesehen, bestieg ihr Neffe als Peter III. den Zarenthron. Er verdarb
es sich rasch mit der orthodoxen Geistlichkeit, insgeheim hielt er nämlich noch am gewohnten Luthertum fest. Die patriotischen
Kreise stieß er vor den Kopf, als er Hals über Kopf den seit 1757 tobenden Krieg mit Preußen beendete und auf zu erwartende
Entschädigung verzichtete. Stattdessen plante er einen neuen Krieg, diesmal gegen Dänemark. Damit wollte er seiner Holsteiner
Dynastie helfen, wofür in Russland jedoch niemand Verständnis hatte. Zivile und militärische Kreise kamen überein, Peter abzusetzen
und für regierungsunfähig erklären zu lassen. Wie es dann weitergehen sollte, darüber gingen die Meinungen auseinander: Einige
dachten an eine vorläufige Regentschaft Katharinas, bis ihr Sohn Paul – dessen Vater vermutlich der Höfling Sergei Saltykow
war – volljährig wäre; die Militärs dagegen forderten den Zarenthron für die populäre Katharina. Die ging auf die Wünsche
der Soldaten ein, nicht nur aus persönlichem Ehrgeiz, sondern auch, weil sich die Gerüchte verdichteten, dass ihr Mann sie
verstoßen und ins Kloster stecken wolle. Sie verließ ihren Landsitz Peterhof und zog am 28. Juni 1762 frühmorgens in St. Petersburg
ein. Die Garden zu Pferd und zu Fuß empfingen sie mit Jubel und geleiteten sie in die Regimentsquartiere. Der Staatsstreich
vollzog sich innerhalb eines Tages. In der Kirche der Heiligen Mutter Gottes von Kasan erwartete sie der Erzbischof von Nowgorod.
Katharina wurde zur Kaiserin ganz Russlands ausgerufen. In einem vorbereiteten Manifest beschwor sie die »große Gefahr« für
Kirche und Staat, der sie mit ihrer Palastrevolution begegnet sei.
Der Umsturz war ohne Blutvergießen abgelaufen. Peter III. nahm dies widerstandslos hin. Er war bereit, in seine holsteinische
Heimat zurückzukehren, aber Katharina ließ das nicht zu. Vielmehr befahl sie, für den Staatsgefangenen bequeme Räume in der
Festung Schlüsselburg herzurichten. Vorerst wurde |170| Peter im Landsitz Ropscha bei Peterhof interniert, wo ihn am 6. Juli die Offiziere, die ihn hatten bewacht sollen, ermordeten.
Dies geschah angeblich im Streit, vermutlich jedoch, weil sie klare Verhältnisse schaffen wollten. Einer der Täter, Alexei
Orlov, bekennt sich zu dem Mord in einem Brief, den er offenbar in betrunkenem Zustand verfasst hatte. Das Schreiben verwahrte
Katharina ihr Leben lang als Zeugnis ihrer eigenen Unschuld. Offiziell hieß es, Peter sei an einem Hämorrhoidalleiden verstorben.
Das glaubte niemand. Im Ausland erregte das Ende des Zaren tiefes Entsetzen, im Land selbst entstand das Gerücht, Peter sei
gar nicht tot, sondern hielte sich verborgen und werde dereinst wiederkehren. Katharina aber hatte nun freie Hand zum Regieren.
Zwar gab es da noch den unglückseligen Iwan VI., der seit dem Säuglingsalter im Gefängnis saß und mittlerweile über 20 Jahre
alt war. Aber eine schlecht vorbereitete Aktion der Romanow-Partei machte auch dieser Bedrohung ein Ende. Die Wachen in der
Festung Schlüsselburg hatten Befehl, den Gefangenen zu töten, falls jemand versuchen sollte, ihn zu befreien. Und sie hielten
sich daran, als eine Gruppe von Anhängern des alten Herrscherhauses im Juli 1764 vergeblich versuchte, das Gefängnis zu stürmen.
»Ich will das Wohl dieses Landes, wohin mich Gott geführt hat; er ist mein Zeuge«, stand in einem Konzept, das Katharina noch
als Großfürstin angefertigt hatte. Und sie legte sich ins Zeug, um die Macht fest in den Griff zu bekommen. Anders als ihre
Vorgängerinnen regierte sie wirklich, prüfte Rechnungen, hielt Konferenzen ab, ging auf Inspektionsfahrten, gab Direktiven
und schrieb ihre Erlasse eigenhändig. »Ich stehe regelmäßig um sechs Uhr früh auf, ich lese und schreibe ganz allein bis acht;
dann kommt man und trägt mir die Angelegenheiten vor … Ich gehe vor elf Uhr schlafen, um am nächsten Tag das Gleiche zu tun.
Das ist geregelt wie Musik auf Notenpapier.«
Ihre Pläne für sich und ihre Nation gingen weit. Was Peter der Große eingeleitet hatte, Begründung der Vorherrschaft im Ostseeraum,
Rückgewinnung der Gebiete, die an Polen gefallen waren, Ausdehnung des Reiches bis ans Schwarze Meer – das alles gedachte
sie fortzusetzen und zu vollenden. Darüber hinaus träumte sie davon, die Türken gänzlich aus Europa zu vertreiben und ein
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