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Frauen fragen Feuerstein

Frauen fragen Feuerstein

Titel: Frauen fragen Feuerstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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Cembalo-Lehrer, war auch ein gesuchter Liedbegleiter. Da war es selbstverständlich, dass man als sein Schüler auch als Begleiter auf Klavier oder Cembalo ranmusste, oder besser gesagt: dass man missbraucht wurde, um Gesangsschülern beim Büffeln zu helfen. Oder Gesangsschülerinnen, die zum Glück in der Überzahl waren.
    Es ist was ganz besonderes, diese Beziehung zwischen Sängerin und Begleiter... selbst wenn nichts ist, ist trotzdem viel. Man sitzt eng nebeneinander auf der Klavierbank, man guckt In dieselben Noten, die Stimme ist ganz nahe am Ohr, die Schwingungen übertragen sich über Trommelfell, Amboss, Hammer, Steigbügel und all die anderen Instrumente des menschlichen Schlagzeugs direkt In die Seele, man vibriert gemeinsam, und alles ist wunderbar — außer, sie hat vorher Zwiebeln gegessen. Und das kam leider viel zu oft vor, denn um diese Zeit war die Balkanküche in Mode gekommen, und an der Salzachbrücke, nahe dem Mozarteum, gab es eine hervorragende Cevapcici-Bude.
    Oft wird man gefragt, was denn nun sein Lieblingswerk sei — eine Frage, die noch schwerer zu beantworten Ist als die nach den idealen Maßen bei einer Frau... zu viel hängt von der Stimmung ab, vom Lebensalter, manchmal sogar vom Wetter. Und well ich viele Stimmungen und noch mehr Jahre habe und sich auch das Wetter dauernd ändert, ist die Zahl der Lieblingswerke groß. Zwei will ich nennen, wegen ihrer für mich so besonderen Bedeutung.
    Da ist die Klaviersonate B-Dur, KV 333, von Mozart. An sich ein Werk, das nicht so viel »hergibt«, hier wird weder gerungen noch gelitten, es ist keine Suche nach Wahrheit und kein Kampf mit Dämonen. Sie zeigt einfach nur die Erträglichkeit des Seins, also gerade das, woran Ich so oft und heftig zweifle. Sie vermittelt dieses spielerische »Trotzdem«. Es ist alles da, die Genialität fließt aus der Selbstverständlichkeit, jetzt mal von ein bisschen pianistischer Prahlerei am Schluss abgesehen, das muss ja auch sein. Ich konnte diese Sonate mal auswendig, sie löst bei mir Seelenkrämpfe auf — und ich vermute, sie kann auch Blutpfropfen nach einem Schlaganfall auflösen. In meinem Alter sollte Ich sie vielleicht in einem Notkoffer immer mit dabeihaben.
    Und dann das Fünfte Brandenburglsche Konzert von Bach, mein unerfüllter Traum einer unerfüllten Cembalo-Karriere. So gerne hätte Ich es in einem’ Konzert mal gespielt, technisch wäre das vielleicht sogar machbar gewesen, behaupte Ich frech, aber ich hätte mich einfach nicht getraut. Es verlangt so viel Konzentration, so viel Präzision, nicht der kleinste Fehler wird verziehen, nirgendwo kann geschummelt werden, nein, das ist nichts für einen musikalischen Bluffer wie mich. Ich hätte mich niemals getraut, und wenn ich mich getraut hätte, wäre ich im ersten Satz wahnsinnig geworden vor Angst, wenn sich dieses lange, gnadenlose Solo nähert, und Ich hätte vorher einen Schlaganfall gehabt, ohne dass Mozarts B-Dur-Sonate den Infarktpfropfen hätte auflösen können... das hätte auch musikalisch gar nicht zusammengepasst.
    Das Fünfte Brandenburgische ist mein wehmütiger Traum eines verlockenden Irrwegs In die Musik, von dem ich als Zwanzigjähriger Abschied nahm, in der Einsicht, ihren Ansprüchen nicht zu genügen. So habe Ich der Welt einen weiteren schlechten Pianisten erspart. Es war der Anfang einer Reihe von Abschieden, aus denen das Leben nun mal besteht.
    Seither höre Ich zu. Nie übrigens nebenbei, dazu ist mein Respekt vor der Musik zu groß. Musik als Hintergrund ist mir ein Gräuel. Mein Motto lautete immer: Entweder ganz oder gar nicht.

Genetische Erblast, erfolglose Erziehung, schlechtes Gewissen
    (Aus einem Interview der Süddeutschen Zeitung zu Feuersteins 65. Geburtstag)

    Herr Feuerstein, an diesem Samstag werden Sie 65 Jahre alt...

    Feuerstein : Na und?

    Fühlen Sie sich alt ?

    Feuerstein : Nein. Ich habe mich als 20-Jähriger alt gefühlt, Seitdem habe ich mich seelisch rückwärts entwickelt. Ich bin jetzt im Vorschulalter angekommen.

    Das geht vielen älteren Herrschaftenso, man könnte das auch mit...

    Feuerstein :... Senilität umschreiben? Hüten Sie Ihre Zunge! Schauen Sie: Sie sind geschätzte 30 Jahre jünger als Ich. Aber Sie wirken wie 65. Alt und verbraucht.

    Wieso fühlen Sie sich heute jünger?

    Feuerstein : Ich fand mich als junger Mensch ungeheuer wichtig und nicht so lächerlich wie heute. Ich hatte damals in Salzburg mit viel Fantasie meine Welt zu verteidigen. Mein Vater war ein

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