Frauen fragen Feuerstein
Nazi, der zwei Jahre im Krieg verschwand, weil er die Welt umkrempeln wollte. Danach verschwand er wieder zwei Jahre, weil die Welt meinen Vater umkrempeln wollte. Meine Mutter erzog mich während dieser Jahre alleine. Genauso erfolglos. Die erste Form der Selbstironie entwickelte sich bei mir auf dem Mozarteum. Ich merkte rasch, dass ich in der Kunst und In der Musik nichts zu suchen hatte.
Sie waren zu schlecht.
Feuerstein : Ich war zu gut. Salzburg ist die Stadt Mozarts, und da jeder mit jedem über sechs Ecken verwandt ist, trage ich damit auch seine genetische Erblast. Wie Sie wissen, ist Mozart aus Salzburg rausgeschmissen worden. Ich ging lieber vorher selber.
Was noch nicht so bekannt ist: Thomas Bernhard studierte gleichzeitig mit Ihnen am Mozarteum ?
Feuerstein : Ja, aber nicht als angehender Musiker, sondern als angehender Schauspieler. Wir haben uns nicht gemocht. 6
Haben Sie Bernhard die Lungenkrankheit, die schließlich zu seinem Tode führte, nicht abgenommen?
Feuerstein : Was reden Sie da! Er hat ja danach noch mehr als 30 Jahre gelebt! Er war ein ausgemachter Hypochonder, Er hat das Theater nur gemacht, um zu rechtfertigen, dass die Mädchen ihn nicht wollten.
Sie mögen ihn immer noch nicht.
Feuerstein : Stimmt, Aber ich habe heute wirklich eine immense Hochachtung vor seinem Leben, vor seiner Arbeit. Es gibt Situationen, vor allem wenn Ich mich ungeschützt der österreichischen Landschaft ausliefere, da höre ich ja förmlich noch seine Stimme. Es gab nach ihm keinen mehr wie ihn. Ich war damals ein Söhnchen aus dem Bürgertum, er war bettelarm. Ich habe ihn nicht verstanden und ihm Unrecht getan.
Mit 23 Jahren gingen Sie als Journalist nach. New York. Fühlten Sie sich dort schon jünger ?
Feuerstein : In New York war Ich ein 100-jähriger Greis, Mit allen Phobien, die sich denken lassen. Ich hatte Angst vor den Gebäuden, vor den Brücken, vor der U-Bahn. Da ich nicht einmal ohne Angst in einem Konzertsaal Platz nehmen konnte, suchte ich mir einen Freund, der für mich in die Veranstaltungen ging. Der war Arzt und konnte kein Wort Deutsch. Er schrieb mir nach den Konzerten kleine Rezensionen, die habe ich übersetzt und unter meinem Namen in einer deutschen Zeitung veröffentlicht. Dass er Arzt war, traf sich nebenbei bestens, weil ich in New York ständig dachte, ich falle gleich ohnmächtig um.
Mit dem anderen New Yorker Stadtneurotiker Woody Allen haben Sie bis heute gemeinsam, dass sie beide oft verführerisch auf Frauen wirken...
Feuerstein : Wieso wundert Sie das?
Nur so. Sie werden öfter mit Woody Allen verglichen...
Feuerstein : Verglichen mit Woody Allen bin ich ein unbedeutender Maulwurf. Aber vermutlich haben wir ähnliche Obsessionen, was Frauen betrifft. Wir haben sogar am gleichen Tag geheiratet. Also nicht Woody Allen und Ich, sondern meine Frau und ich.
Und wie er haben Sie eine attraktive, intelligente Frau, die 35 Jahre jünger ist als Sie. Das muss man nicht als Obsession bezeichnen, man könnte auch sagen: Schwein gehabt...
Feuerstein : Sie haben Recht! Ich frage mich jedes Mal, ob sie wieder heimkommt, wenn sie einkaufen geht. Aber man wird auch in diesen Dingen mit dem Alter entspannter. In meiner Nachpubertät lud ich Mädchen ein und spielte grundsätzlich erst einmal Klavier, wobei ich im Wandspiegel genau beobachtete, wie ich dabei aussah. Hinterm Vorhang hatte ich ein Tonbandgerät laufen, weil ich nachher auch akustisch kontrollieren wollte, wie ich mich angestellt hatte...
... mein Gott...
Feuerstein : ...mitunter hört man auf diesen Tonbändern übrigens, wie meine Tante hereinplatzt und kaltes Hühnchen serviert.
Als was haben Sie sich gesehen ?
Feuerstein : Als größter Musiker, größter Schriftsteller, größter Befingerer der ganzen Welt.
Sie waren ein Narziss.
Feuerstein : Im Gegenteil, Selbsthass war immer mein Mittelname. Mein Größenwahn war eher Ausdruck der Ausweglosigkeit. Meine Mutter sagte mir mindestens einmal am Tag: »Werde normal !«
Waren Sie unnormal ?
Feuerstein : Was heißt unnormal? Als Kind habe ich meinen gerade geborenen Bruder lebendig aufgebahrt, Kerzen aufgestellt und Totenmessen abgehalten. Ist das unnormal? Priester machen das dauernd, und ich wollte eben Priester werden. In der Schulzeit habe ich geschwänzt, um Theaterstücke zu schreiben und eine Messe zu komponieren, Letztere hauptsächlich, um mit den Mädchen der Parallelklasse ungestört »Chorproben« abhalten zu können.
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