Frauen lügen
ausgesetzt, nehme ich an. Glückliche Ehe, und finanziell ist alles in Ordnung?«
Auch diesmal geht es nicht um die Antwort, sondern um die Pause davor. Fällt sie ungewöhnlich lang aus, ist das ein Zeichen dafür, dass die Gedanken des Befragten einen Umweg gemacht haben. Anstelle einer ehrlichen Antwort wird nach einer unverfänglichen Aussage gesucht. Ein Prozess, der Zeit braucht und sich in einer verzögerten Reaktion bemerkbar macht.
Und tatsächlich dauert es ein wenig, bis Albert Dornfeldt sich zu dem Thema äußert.
»Über die Qualität der Ehe von Susanne und Jonas Michelsen kann ich nun wirklich nichts sagen. Und die Finanzen gehen mich auch nichts an. Ich kann Ihnen lediglich versichern, dass alles, was die Hotelkonten betrifft, immer korrekt abgewickelt wurde – sowohl von seiner als auch von meiner Seite aus. Das werden Sie mir ja hoffentlich glauben.«
»Natürlich. Ich habe nur der Vollständigkeit halber gefragt. Es gibt noch ein zweites Verdächtigenfeld.«
»Und das wäre?«
»Wir können nicht ausschließen, dass es sich um einen Anschlag mit einem politischen Hintergrund handelt. Schließlich sind nicht alle Sylter glücklich über die Touristenmengen, die Jahr für Jahr die Insel überfluten. Und Sie wissen selbst, dass die gigantischen Hotelbauten der letzten Jahre häufig auf Kritik gestoßen sind. Ich sage nur: Budersand in Hörnum und A - ROSA in List.«
»Aber dann wäre ein Anschlag auf diese beiden Projekte doch viel naheliegender.«
»Da haben Sie recht. Darum versuchen wir ja auch, mögliche Ursachen im privaten Umfeld der Besitzerfamilie zu ermitteln …«
Mit harmlosem Gesichtsausdruck mustert Silja Blanck ihr Gegenüber. Aber der Hotelmanager verzieht keine Miene. Nein, von ihm wird sie bestimmt nichts über das Privatleben der Michelsens erfahren. Geschmeidig wechselt die Kommissarin das Thema.
»Verraten Sie mir noch, wie der Speisesaal nachts gesichert war? Wir haben zwar ein BIG -Feuerzeug am Wäscheschrank gefunden, aber wir wissen nicht, wie der Brandstifter in das Gebäude gelangen konnte – immer vorausgesetzt, es war kein Mitarbeiter des Hotels.«
Zu Siljas großer Verblüffung kommt diesmal die Antwort wie aus der Pistole geschossen.
»Das war vermutlich gar nicht so schwer. Wir haben ja auf einer Längsseite diese bodentiefen Fenstertüren, damit die Gäste im Sommer ungehindert auf die Restaurantterrasse treten können. Und die liegt nach Süden, also vom eigentlichen Hotelgebäude abgewandt. Wenn dort in der Nacht jemand ein Fenster einwirft oder eintritt, wird das nicht so schnell bemerkt. Es gibt dort auch keine Alarmanlage. Wissen Sie, bisher haben wir hier auf der Insel einfach nicht mit bestimmten Formen von Vandalismus rechnen müssen.«
»Wollen wir nicht hoffen, dass sich das in Zukunft ändern wird«, erklärt die Kommissarin vieldeutig und erhebt sich. »Ich muss mich jetzt verabschieden, die Pflicht ruft. Aber Sie haben mir wirklich sehr geholfen.«
Das verdutzte Gesicht des Hotelmanagers hätte Silja Blanck fast zum Lachen gebracht.
Dienstag, 16 . August, 20.12 Uhr,
Haus am Dorfteich, Wenningstedt
»Ich muss verrückt sein, mich auf das hier einzulassen.«
»Vielleicht bist du nur unglücklich verheiratet und ansonsten ganz normal. Wie auch immer, komm herein und mach dir nicht so viele Gedanken. Schließlich ist es nicht verboten, mit einem alten Freund einen Wein zu trinken.«
»Am gleichen Tag, an dem man bereits mit ihm gefrühstückt hat?«
Fred Hübner lacht. Unbekümmert soll das klingen und möglichst auch ansteckend sein. Niemals würde er Susanne gestehen, dass ihm bei dem Treffen genauso mulmig zumute ist wie ihr.
»Solange du zwischen Frühstück und Abendessen brav warst, ist dagegen nichts zu sagen.«
»Ach Fred, red nicht so viel, zeig mir lieber deine Wohnung.«
Neugierig sieht Susanne Michelsen sich um. Die Diele ist ebenso wie der angrenzende Wohnraum in hellem Wasserblau gestrichen und bis auf einige ausgewählte Designermöbel leer. Versonnen streicht die Besucherin mit den Fingerspitzen über eine niedrige Lackkommode, die von zwei Mies-van-der-Rohe-Sesseln flankiert wird. Ein alter Koffer als Couchtisch und ein voluminöses Ledersofa runden die Sitzecke ab. Der Esstisch in der anderen Hälfte des Raumes ist aus Stahlrohr und von Freischwingern mit hellem Korbgeflecht umgeben. Fred geht an seinem Gast vorbei zu dem Küchentresen, der sich direkt hinter der Essgruppe befindet. Das Parfum seiner Jugendliebe
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