Frauen lügen
ich das wissen? Du hast mich ja nicht gerade verwöhnt mit Nachrichten aus deinem neuen Leben.«
»Hätte ich dir eine Heiratsanzeige schicken sollen?«
»Nein, nein, schon gut. Es war sicher besser so. Ich wusste ja selbst nicht, wie sehr ich an dir gehangen habe. Hab’s erst gemerkt, als die ganzen anderen Strandladies mich nicht mehr so recht scharf machen konnten.«
»Oh, danke. So genau wollte ich es gar nicht wissen.«
Fred zuckt mit den Schultern. Immer schön cool bleiben. Er hebt sein Wasserglas und leert es auf einen Zug. Der Anblick des goldfarbenen Sancerres im Abendlicht ist viel zu verlockend, um ihm nicht auf die Nerven zu gehen. So kommt es, dass seine nächsten Worte einen ziemlich aggressiven Unterton haben, der aber ganz gut zum Inhalt passt.
»Und du? Wie war dein Leben in der Zwischenzeit?«
Susanne Michelsen stößt ein kleines, verächtliches Lachen aus.
»Das Übliche eben. Keine Sorgen und ziemlich viel Langeweile. Immer nur Golfspielen ist auf die Dauer auch öde. Es wäre vielleicht anders geworden, wenn Jonas und ich Kinder gehabt hätten.«
»Keine Erben? Und warum nicht?«
»Hat irgendwie nicht geklappt. Wir wissen noch nicht einmal, an wem es liegt. Haben es nie untersuchen lassen. Wir haben uns beide wohl zu sehr davor gefürchtet, schuld zu sein.«
Pause. Was soll Fred auch dazu sagen? Kinder sind definitiv das falsche Thema für diesen Abend. Er versucht es also mit einem entschiedenen Kurswechsel.
»Ich habe dich in den ganzen Jahren nicht ein Mal auf der Insel gesehen. Das hat mich gewundert.«
Susanne muss nicht wissen, wie sehr er sich jahrelang in List verkrochen, hinter Weltschmerz und Alkohol versteckt hat. Hätte sie sich allerdings während dieser Zeit ins Jet-Set-Getriebe auf der Insel gestürzt, dann hätte Fred Hübner trotzdem davon erfahren. Gewisse Reste jeder Promi-Information schaffen es bis hinter den Tresen der einfachsten Destille. Von Susannes Mann, dem Hotelbesitzer Jonas Michelsen, war nämlich durchaus ab und an die Rede. In die Freude darüber, dass ihm der Name des Nebenbuhlers wieder eingefallen ist, mischt sich die Wut über all die vertanen Jahre und sorgt dafür, dass Freds Stimme fast heiser vor schlecht verborgener Aggression wird.
»Also, raus mit der Sprache: Was hat dich davon abgehalten herzukommen?«
Susanne scheint die unangemessene Tonlage nicht zu bemerken – oder sie nimmt sie als Kompliment. Ihre Antwort jedenfalls kommt leise und zögernd, während ihr Blick nachdenklich über den Dorfteich wandert.
»Ich mochte nicht mehr herkommen. Vielleicht waren es die ganzen Erinnerungen an dich, ich weiß es nicht. Fakt ist, dass ich lieber mit Jonas in Hamburg war. Am Anfang war das nicht leicht zu erklären. Jonas hat sich ziemlich gewundert und immer wieder nachgefragt. Schließlich hat er sogar dieses Haus in Kampen für uns gekauft. Er dachte, ich bräuchte etwas Eigenes auf der Insel. Er fühlt sich hier nämlich ausgesprochen wohl.«
»Und? War es besser mit dem eigenen Haus?«
»Überhaupt nicht. Ich mochte das Haus nie. Zu groß, zu protzig. Und dann diese Alarmanlage. Kein Bunker ist besser gesichert.« Susanne lacht plötzlich. »Eigentlich war das schon fast komisch. Jonas hat gedacht, ich habe Angst vor einem Überfall, einem Raub oder so etwas. Eben weil man auf Sylt nicht besonders anonym ist. Und um mich zu beruhigen, hat er den ganzen Kram hier einbauen lassen. Irgendwann konnte ich das Spiel nur noch mitspielen. Mittlerweile hat es längst absurde Züge angenommen. Warte mal kurz, ich zeig dir was.«
Sie springt auf und geht zurück in den Wohnraum, wo ihre Handtasche auf einem der Freischwinger steht. Als sie zurückkommt, hält sie eine Waffe in der Hand und tippt damit spielerisch an Freds Schläfe.
»Was sagst du jetzt?«
»Ich sage gar nichts, du bist schließlich am Drücker. Wie wäre es also mit ›Hände hoch‹ oder ähnlichem Quatsch. Zeig mal her das Ding.«
Als Susanne Michelsen ihm vorsichtig die Waffe reicht, betrachtet Fred sie eingehend und streicht nachdenklich über den goldfarbenen Schriftzug.
»Eine Sig Sauer, alle Achtung. Sieht nicht nur gefährlich, sondern auch edel aus. Kannst du überhaupt damit umgehen?«
»Jonas hat es mir gezeigt.« Susanne beugt sich zu Fred hinunter, bis ihr Gesicht nah an seinem ist, sehr nah, um genau zu sein. »Schau, hier entsicherst du die Waffe und dann musst du nur noch abziehen – und natürlich auf den Rückschlag achten. Ein Freund von Jonas hat
Weitere Kostenlose Bücher