Frauen lügen
für den Verlauf eines Falles ist. Fürs Erste wäre diese Chance also verpasst, das Missing Link hat sich längst wieder versteckt, und Sven Winterberg kann nicht mehr tun, als darauf zu warten, dass ihm oder den beiden anderen Kommissaren Blanck und Kreuzer demnächst ein neuer Geistesblitz kommt – möglichst bevor das nächste Objekt in Brand gesetzt wird.
Verärgert springt er auf und macht sich auf den Weg die Treppe hinunter, um den Kollegen aus Flensburg zu begrüßen.
»Hallo, Bastian, altes Haus, schön, dich wieder bei uns zu haben!«
Die beiden Männer heben die Hände und schlagen sich ab, als könne der alte Sportlergruß ein Omen für eine schnelle und gründliche Lösung des Falles sein. Bastian Kreuzer, der den schmächtigen Kollegen um Haupteslänge überragt, wirkt energisch und tatendurstig, besonders als er jetzt kurz, aber doch für jeden Anwesenden sichtbar einen seiner gut trainierten Arme um Silja Blancks Schulter legt.
»Ich freue mich auch, wieder dabei zu sein. Mir ist die Insel in den letzten beiden Jahren ganz schön ans Herz gewachsen, das wisst ihr ja. Und jetzt denkt da jemand, er könne ungestraft den Feuerteufel geben und Angst und Schrecken verbreiten. Wenn ich den erwische, kann der was erleben.«
»Und wenn es eine Sie ist?«
Siljas Stimme klingt zögerlich, ganz so, als sei ihr die Idee eben erst gekommen. Trotzdem hat sie mit ihrem Einwand sofort die Aufmerksamkeit beider Kollegen.
»Du meinst, eine Frau hat die Brände gelegt? Gibt es denn dafür Indizien, die wir bisher übersehen haben?«, will Sven wissen, immer noch in Gedanken bei der mutmaßlich heißen Spur, die er glaubt, gerade verloren zu haben.
»Nicht dass ich wüsste. Es war eher eine spontane Idee. Vielleicht weil Bastian so sicher aus der männlichen Perspektive argumentiert hat.«
»Das geht ja gut los, kaum bin ich angekommen, kriege ich Gegenwind von meiner Liebsten«, frotzelt Kreuzer lächelnd. »Aber was haltet ihr beiden davon, wenn wir uns erst mal eine halbe Stunde zurückziehen und ihr mich auf den neuesten Stand bringt? Dann können wir uns anschließend gern in eine Hypothesenschlacht begeben. Nur im Moment fühle ich mich noch heillos unterlegen und informationsbedürftig.«
Silja lacht. »Das ist ein Zustand, der dir kaum behagen dürfte. Also los, Sven. Lass uns hochgehen und den geschätzten Hauptkommissar einweihen.«
Mittwoch, 17 . August, 12.37 Uhr,
Haus am Dorfteich, Wenningstedt
»Aufwachen, du Schlafmütze. Unten gibt es Frühstück.«
Susanne Michelsen schlägt langsam die Augen auf und räkelt sich demonstrativ in Fred Hübners breitem Bett.
»Willst du nicht lieber wieder ins Bett kommen? Bitte. Ich habe so gut geschlafen wie schon seit Jahren nicht mehr. Wenn ich geahnt hätte, dass so etwas möglich ist, wäre ich schon längst zu dir zurückgekommen.«
»Aha. Du bist also zurückgekommen. Na, das ging aber schnell.«
»Jetzt sei nicht so und komm her.«
Energisch zieht Susanne ihren alten und gleichzeitig neuen Liebhaber zu sich auf die Matratze, um ihn ausführlich zu küssen. Erst nach einigen Minuten kann Hübner sich freimachen.
»Unten wird der Tee kalt, und der Schinken wellt sich. Die Brötchen werden hart, und auf der Butter sitzen längst die Fliegen.«
»Das ist ja das reine Endzeitszenario. Und das nennst du Frühstück?«
»Alle Journalisten übertreiben, das weißt du doch.«
»Selbst wenn ich es vergessen hätte, hättest du mich heute Nacht daran erinnert.« Wohlig seufzend räkelt sich Susanne erneut.
»Wie schmeichelhaft.« Fred gibt ihr einen Klaps auf die Hüfte und einen schnellen Kuss. »So, jetzt steh aber auf. Da hinten ist die Dusche und unten wartet der Futtertrog. Deinetwegen habe ich schon auf mein morgendliches Schwimmen verzichtet. Ich finde, du solltest mich mit einem gemeinsamen langen Spaziergang entschädigen. Wie wäre es mit einem Marsch am Strand entlang zur Lister Sauna? Es ist immer noch kühl draußen, und die Sauna nicht die schlechteste Art, den Tag zu verbringen. Oder hast du schon was anderes vor?«
»Als ob dich das kümmern würde. Du hast dich wirklich überhaupt nicht verändert.« Susanne hebt die Beine aus dem Bett und blickt sich so neugierig in Freds Schlafzimmer um, als habe sie den Raum eben erst betreten. »Es ist übrigens hübsch hier. Ein bisschen viel unbearbeiteter Stahl vielleicht«, spielerisch trommelt sie mit den Fingern auf das Bettgestell, »aber die schrägen Wände und der Blick über den
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