Frauen lügen
überlegt Bastian, während er dem Kellner die Teller mit den Desserts abnimmt.
»Da sprichst du einen wunden Punkt an. Theoretisch hätten wir das ermitteln können. Zwar waren nach dem Brand alle Scheiben gesprungen, aber wenn eine von ihnen vorher von außen eingeschlagen worden wäre, dann hätten die Scherben im Raum gelegen. Die Reste der durch das Feuer geborstenen Scheiben dagegen dürften durch den Druck nach außen geschleudert worden sein. Da alle Beteiligten in der Feuernacht aber von einem Blitzschlag ausgegangen sind, ist hier wichtiges Material zur Seite geräumt worden, ohne dass wir genau hätten hinschauen können.«
»Das ist natürlich ärgerlich, aber nicht zu ändern. Wann seid ihr eigentlich darauf gekommen, dass es Brandstiftung war?«
»Am nächsten Morgen wurden wir stutzig. Der Hotelmanager hat von Flammen geredet, die aus den Fenstern geschlagen haben. Das hörte sich nicht so an, als ob der Blitz ins Reet gefahren sei. Und dann haben wir ja auch das Feuerzeug gefunden.«
»Stimmt, das hatte ich vergessen. Iss dein Tiramisu, Silja, es ist köstlich.«
»Ich bin schon fast satt. Willst du noch eine Hälfte?«
»Wenn du mich so fragst …«
Während Silja Blanck ihr Dessert teilt und eine Hälfte vorsichtig auf Bastians Teller hebt, vergegenwärtigt sie sich die vergangenen zwei Tage noch einmal. Zwei Brände in der Nacht zum Montag und einer in der Nacht zum Mittwoch. Der zweite Montagsbrand und der Mittwochsbrand weisen Ähnlichkeiten in Ortswahl und Größe des Objektes auf. Der erste, nämlich der Hotelbrand, fällt aus dem Schema heraus.
»Theoretisch könnten wir es mit einem inhaltlich motivierten Anschlag auf das Hotel und mit zwei Taten eines Nachahmers zu tun haben, bei denen es nur um Aufmerksamkeit ging.«
»Habe ich auch schon überlegt. Aber das sollten wir ganz schnell vergessen. Der Brand am Bahnhof ist in der Gewitternacht keine Stunde nach dem am Hotel gelegt worden. So fix ist kein Nachahmer. Der müsste ja am Radio gesessen, die Nachricht gehört haben und dann gleich mit Benzin und allem Drum und Dran gestartet sein.«
»Stimmt. Außerdem müsste er genau gewusst haben, wann der letzte Zug ab Morsum fährt. Nach Aussage des Bahnwärters hat immerhin ein verdächtiges Auto auf dem Vorplatz gestanden, als er mit seinem eigenen weggefahren ist.«
»Das Auto kann Zufall gewesen sein. Habt ihr eigentlich danach suchen lassen?«
»Nach einem hellen Kleinwagen, von dem wir weder die Marke noch das Kennzeichen haben? Machst du Witze?«
»Okay, du hast recht. Also noch einmal von vorn. Wer hat ein Interesse daran, das Hotel zu schädigen, und findet gleichzeitig hinterher Spaß am Zündeln? Ist das die Beschreibung der Person, die wir suchen?«
»Sieht ganz so aus.«
»Na, dann kannst du dich schon mal auf einen längeren Logierbesuch in deiner Wohnung einstellen, liebste Silja. Den Typen finden wir nie.«
Donnerstag, 18 . August, 14.20 Uhr,
Haus am Dorfteich, Wenningstedt
Mit einem leisen Schnappen zieht Susanne Michelsen die Badezimmertür hinter sich ins Schloss und verriegelt sie sorgfältig. Fred Hübner hat sich gerade auf seiner Terrasse im Strandkorb niedergelassen, um in aller Ausführlichkeit die
Zeit
zu lesen. Diese Chance wird sie nutzen, um endlich das überfällige Telefonat mit ihrem Ehemann zu führen. Während sie die Kurzwahltaste drückt und den Klingeltönen lauscht, rekapituliert sie noch einmal alle Formulierungen, die sie sich im Lauf der letzten beiden Tage zurechtgelegt hat.
»Hallo Susanne, da bist du ja endlich!«
Die kaum verhohlene Wut in Jonas Michelsens Stimme bringt sie kurzzeitig aus dem Konzept, doch sie hat sich schnell wieder unter Kontrolle.
»Entschuldige bitte, aber ich brauchte mal ein bisschen Abstand. Es waren nicht nur der Brand und die ganzen Vernehmungen …«
»Susanne, was soll das? Du weißt genau, dass ich auf deinen Anruf gewartet habe. Du kannst doch in so einer Situation nicht einfach abtauchen.«
»Bin ich ja auch nicht. Ich wollte nur mal ein wenig Ruhe haben. Ich war doch ewig nicht mehr hier. Da musste ich erst mal für mich sein, das Grab der Eltern besuchen, überhaupt Erinnerungsorte ablaufen.«
»Du redest wie eine Greisin. Was soll das Theater? Stimmt irgendwas nicht?«
»Ach was, Jonas, es ist alles in Ordnung – bis auf die Tatsache natürlich, dass jemand versucht hat, mein Hotel abzubrennen. Das hat mich getroffen, und zwar mehr, als ich gedacht hätte.«
»Du tust gerade so, als sei
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