Frauen sind auch nur Männer (German Edition)
»Meinen Frau Gräfin nicht auch, dass dies ein rechtes Scheißwetter sein dürfte?«
1929 ! Ein Satz von erstaunlicher Aktualität im März 2013 . Höchstens auf die Mischung aus Courtoisie und Drastik, sozusagen zwischen Stinkefinger und abgespreiztem kleinen Finger, zwischen »Scheißwetter« und »Meinen Frau Gräfin nicht auch«, würde heute zugunsten der Drastik »Hej, Alter, ich tret dich in die Tonne« verzichtet werden.
Doch nicht davon will ich schreiben, sondern vom gegenwärtigen Wetter, das nicht nur ein Tucholsky als »rechtes Scheißwetter« bezeichnen würde. Da ich zu der Generation gehöre, die öfter mit einem Stoßseufzer »Früher …!« sagt, entweder »Früher war alles besser« oder »Früher war alles schlechter«, fällt mir dazu ein, wie ich 1968 von Stuttgart nach Hamburg umgezogen bin. »Schnee«, sagten mir Hamburger Freunde, »Schnee wirst du dort kaum noch zu Gesicht bekommen. Schnee kannst du dir abschminken!«
Ich fuhr im Februar 1969 von Hamburg in die Skiferien, nachdem mein Sohn in den Harburger Bergen nur selten mit Skiern Schuss fahren konnte. Und in der französischen Schweiz waren die Alpen von so milder Sonne bestrahlt, dass man sehr hoch hinaufmusste, um überhaupt noch Schnee zu finden. Schnee musste man suchen!
Dann kam ich zurück nach Hamburg, und hier fiel auf einmal der Schnee meterhoch und hörte gar nicht mehr auf zu fallen. Es herrschte ein absolutes Schneechaos, demgegenüber der gegenwärtige Zustand wie ein Säuseln neben einem Orkan wirkt. Von wegen kein Schnee in Hamburg! Der Verkehr erlahmte völlig, Autos blieben im Schnee stecken, die Räder drehten durch, die Batterien gaben ihren Geist auf. Am Morgen mussten die Autofahrer ihr Fahrzeug aus Schneehaufen schippen, die wie die Harburger Berge aussahen.
Weil der Verkehr so chaotisch war und weil alle von der Kälte und den gewaltigen Schneemassen betroffen waren, herrschte eine merkwürdig gutgelaunte und fröhliche Stimmung. Menschen halfen einander, schoben gegenseitig ihre Autos an, kurz: Es herrschte jene Solidarität, bei der man einander lachend und schuftend zur Seite steht. Die gibt es nur in Ausnahmezuständen, nur in Notzeiten. Nichts ging mehr, und daher lief zwischen den Menschen alles besser als sonst. Not macht nicht nur erfinderisch, sie weckt auch Energien, Erfindungskraft und Miteinander. Bei Tucholsky heißt es: »Leihen Sie mir bitte Ihren linken Gummischuh.« Ich wette, damals hätte man ihn bekommen.
6 . April 2013
Ewiger Frühling für Hitler?
Wie selbst seine gefälschten Tagebücher noch gespenstisch weiterleben. Ein echtes Tagebuch dreißig Jahre nach dem »Stern«-Skandal
Ist er wieder da? Fragte ich mich, als ich das Titelblatt (das diesmal wirklich so etwas wie ein Titelblatt war) der »Zeit« von dieser Woche am Kiosk vor Augen hatte. Und zwar nicht nur als Schwarz-Weiß-Silhouette mit markantem (von Chaplin geklautem) Schnurrbart und akkuratem Soldatenscheitel wie auf dem Bestseller von Timur Vermes, sondern in voller idolatrischer Bewunderung von einem Maler 1940 sozusagen auf Knien gemalt.
»Hitlers letzter Sieg« heißt die Schlagzeile, und erst wenn man näher hinschaut, sieht man, dass der »Gröfaz« (»Größter Feldherr aller Zeiten«), der seine letzten Siege weit hinter sich hatte und längst vermodert war, das ominöse »Stern«-Heft in der Hand hält, mit dem sich das illustrierte Magazin seine einst größte Blamage, seine schwärzeste Stunde bereitete: mit Hitlers gefälschten Tagebüchern.
Normalerweise arbeitet so die »Titanic«, deren Chefredakteur Leo Fischer unumwunden zugibt: »Hitler sells.« Das heißt, Hitler verkauft sich nicht nur bei Guido Knopp, nicht nur im Kino. Und das war damals vor dreißig Jahren, als der gigantische Tagebuchschwindel aufflog, ähnlich.
Oder doch anders? Die »Zeit« veröffentlichte jetzt als Dossier die Tagebucheinträge des einen der beiden Chefredakteure, die damals über die Hitler-Klinge springen mussten: Felix Schmidt, der sie bis jetzt unter Verschluss hielt.
Damals vor dreißig Jahren, als der »Stern« von dem Nazi-Devotionalienhändler Konrad Kujau für viele Millionen die Hitler-Tagebücher kaufte, war es wohl so, dass es nicht nur darum ging, Hitler wie immer gut zu verkaufen, sondern – das machen Felix Schmidts Aufzeichnungen deutlich – es galt auch das Bild Hitlers aufzuhellen: Statt des gescheiterten Kriegsverbrechers sollte wieder ein »bisschen Führer« sein.
Im Krieg wurden alle Verbrechen,
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