Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)
Geschichte bei sich selbst als Autorin bestellt. Was gibt es zu sagen über ein Mal an der Wand? Alles, lautet die Antwort, und die Ich-Erzählerin ergeht sich in Phantasien, wie es dorthin kam. Das Mal selbst interessiert kaum (so viel sei verraten, es ist kein Samenfleck), bedeutsam ist, was der erzählende Geist damit anfangen kann.
Seiten aus Woolf, Virginia: Two Stories. Richmond 1917; mit Holzschnitten von Dora Carrington
Das erste Buch, das in der Werkstatt der Eheleute Woolf entstand, enthält zwei Erzählungen, eine von Virginia, »Das Mal an der Wand«, und »Drei Juden« von Leonard. Die Holzschnitte stammen von der Malerin Dora Carrington.
Auch was den Absatz betrifft, ist die erste Veröffentlichung der Hogarth Press eine Erfolgsgeschichte. Binnen eines Monats verkaufen sie fast die gesamte Auflage. Penibel listet Leonard Woolf die Ausgaben und Einnahmen auf und kommt zu dem Ergebnis, dass sie mit ihrer ersten Veröffentlichung einen Gewinn in Höhe von 7 Pfund und 1 Schilling erzielten, allerdings ohne sich als Autoren Honorar zu zahlen (und auch ohne Lohnkosten für Satz und Druck zu veranschlagen). Außerdem haben sie an die neunzig Subskribenten für weitere Veröffentlichungen gewonnen, darunter allerdings nur einen Buchhändler, der Rest vor allem Freunde und Bekannte. Der Durchbruch auch in ökonomischer Hinsicht kommt für die Hogarth Press zwei Jahre später mit ihrer vierten Veröffentlichung, einem Text allein von Virginia Woolf. Von Im Botanischen Garten verschicken die beiden auch Rezensionsexemplare. Als sie Anfang Juni 1919 nach einer einwöchigen Abwesenheit nach Richmond zurückkommen, finden sie den Flur übersät mit »Bestellungen von Buchhändlern aus dem ganzen Land«. In ihrer Abwesenheit ist eine höchst lobende Besprechung im Times Literary Supplement erschienen. Da es außerhalb ihrer handwerklichen Möglichkeiten liegt, genügend Exemplare zur Befriedigung der entstandenen Nachfrage zu drucken, lassen sie eine zweite Auflage von fünfhundert Exemplaren von einem professionellen Druckereibetrieb herstellen.
Wie Leonard Woolf nicht müde wird zu betonen, liegt ein Erfolgsgeheimnis der Hogarth Press darin, dass sie bewusst klein bleiben wollen und die allgemeinen Kosten so nahe an Null halten wie möglich. So mieten sie keine separaten Büroräume an, sondern integrieren den Verlag in ihr Privathaus und in ihr Privatleben. Nach der Anschaffung einer größeren Presse wird in der Speisekammer gedruckt, die Bücher werden im Esszimmer gebunden, und mit Autoren und Druckern verhandelt wird im Wohnzimmer. Sind Manuskripte zu prüfen oder zu redigieren, so geschieht dies in den Abendstunden. Als Virginia 1923 ihre neue Freundin Vita Sackville-West zum Dinner einlädt, räumt sie ein: »Wir dinieren nicht so richtig, wir machen eher Picknick, weil die Druckmaschine in die Speisekammer und das Esszimmer eingedrungen ist …«
Ab ihrem dritten Roman erscheinen alle wichtigen Bücher von Virginia Woolf im eigenen Verlag. Leonard Woolf hat später zuweilen behauptet, die Hogarth Press sei als Therapie für seine Frau gegründet worden. Der Stolz auf die eigene Arbeit und die Inbesitznahme der greifbaren Welt – beides Belohnungen der handwerklichen Tätigkeit – tragen in der Tat dazu bei, dass Virginias Leben in der Ehe mit Leonard Anker wirft. Ganz abgesehen davon verschafft ihr der Verlag eine ausgesprochen privilegierte Position. Er macht sie als Autorin, die keine Kompromisse mit dem Zeitgeschmack einzugehen bereit ist, weitgehend unabhängig. Vorderhand von ihrem Halbbruder Gerald, der den Verlag Duckworth gegründet hat und dem sie naheliegenderweise ihre ersten beiden Romane verlegerisch anvertraut hat. Das ist eine enorme Überwindung für sie gewesen – nicht nur wegen der sexuellen Belästigung in Kindertagen, sondern weil sie ihn für einen ausgemachten Dummkopf in literarischen Dingen hält und ihre künstlerische Leistung auf diese Weise seinem Urteil überantwortet.
Die Möglichkeit der Veröffentlichung im eigenen Verlag trägt entscheidend dazu bei, dass Virginia zu ihrer ganz eigenen literarischen Stimme findet. Gemeinsam mit ihrem Mann ermöglicht sie sich, »den anderen Weg« zu gehen, wie sie das nennt: Es soll bedeuten, dass sie sich als »die einzige Frau in England« betrachten kann, »die frei ist zu schreiben, was ich will. Die anderen müssen Programmreihen und Lektoren mitbedenken«. So steht es in ihrem Tagebuch.
Darüber hinaus verschafft ihr die
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