Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)
seine literarische Bedeutung, von der er fest überzeugt war, von so etwas Schnödem wie Absatzzahlen abhängig zu machen. Sylvia Beach aber hatte sich da bereits mit Adrienne Monnier beraten und die Auflage auf tausend Exemplare festgesetzt, gedruckt auf drei verschiedenen Papierqualitäten und deshalb auch unterschiedlich teuer. Die ersten hundert Bücher sollten vom Autor signiert werden und mehr als das Doppelte der günstigsten Variante kosten.
Den damaligen Gepflogenheiten folgend, wurde das Werk zur Subskription ausgeschrieben und ein ansprechender Prospekt gedruckt, mit dem Ziel, dass ein größerer Teil der Auflage bereits verkauft war, bevor der Drucker seine Maschine anwarf. Dessen Rechnung konnte dann mit den Erlösen aus der Auslieferung der bestellten Exemplare beglichen werden. Der Erfolg der »Operation Ulysses« hing für Sylvia Beach also vor allem davon ab, ob es ihr gelang, im Vorfeld genügend Subskribenten zu gewinnen. Dafür boten die beiden Buchhandlungen in der Rue de l’Odéon jedoch die denkbar beste Voraussetzung; denn deren Kundenkreis und die potenzielle Leserschaft des umstrittenen Buches waren in vieler Hinsicht identisch.
So waren es keineswegs nur mütterliche Gefühle für den kränkelnden Joyce und eine ans Religiöse grenzende Verehrung für Künstler, die Sylvia Beach dazu bewogen, derart viel Lebenszeit und Energie für einen schwierigen Autor und sein denkbar schlecht beleumundetes Buch aufzuwenden. Wie Sylvias Briefe an ihre Mutter beweisen, war ihre Idee von Anfang an, etwas zu erreichen, was man heute eine Win-win-Situation nennen würde: ein Ergebnis, das für beide Seiten einen Mehrwert abwirft. Dieser Mehrwert trägt in ihrem Fall den Namen »Reklame«. So schreibt sie nur einen Tag, nachdem sie mit Joyce handelseinig geworden ist: » Ulysses bedeutet eine Reklame, die Tausende von Dollar wert ist.« Und drei Wochen später: » Ulysses wird meinen Laden berühmt machen. Die ersten Wirkungen sind bereits spürbar. Massenhaft besuchen Menschen aus Neugier den Laden.« Derlei Mitteilungen waren natürlich auch strategisch im Hinblick auf die Empfängerin formuliert, deren finanzielle Unterstützung Shakespeare and Company im Grunde erst möglich machte. Aber sie zeugen zugleich von dem Unternehmungsgeist und der Gewitztheit der Tochter eines presbyterianischen Geistlichen aus Princeton, die den in den USA weiterhin verbotenen Ulysses dort an die Leser brachte, indem sie die Exemplare mit Umschlägen versah, welche die Aufschrift trugen: »Shakespeares Gesammelte Werke in einem Band« oder »Fröhliche Geschichten für kleine Leute«.
Urheber unbekannt, »Author of Ulysses James Joyce and his publisher Sylvia Beach in an office in Paris«, 1922,
© Sylvia Beach Papers, Manuscripts Division, Princeton University Library
Sylvia Beach und James Joyce in der Buchhandlung und Leihbücherei Shakespeare and Company mit den ersten Besprechungen des Ulysses, 1922.
Sylvia Beach ist in vieler Hinsicht bis heute eine rätselhafte Figur geblieben. Den Dichter und Diplomaten Saint-John Perse erinnerte sie an die Tochter eines Sheriffs, die gerade ihr Pferd vor der Tür angebunden hat, entschieden den Raum betritt und mit einem Blick erfasst, was los ist. Sie war weniger eine Frau, die das Lesen als Passion kultivierte, als eine Abenteurerin in Sachen Buch. »Sie war jemand, der eine gewöhnliche Arbeit als Berufung verstand«, meinte der Verleger Leslie Katz und stellte ihren Namen in eine Reihe mit amerikanischen Legenden, die in dem, was sie taten, bedeutend auch dadurch wurden, dass es mit ihrer Persönlichkeit verschmolz: »Lincoln war Politiker, Melville Seemann, Thoreau Waldläufer. Sie war Buchhändlerin.«
Wie Virginia Woolf kam Sylvia Beach bis auf einige wenige Monate nie in den Genuss einer schulischen Ausbildung. Aber ihr stand auch keine väterliche Bibliothek zur Verfügung, durch die sie sich ersatzweise hätte »hindurchfressen« können. Ihre Schule hieß Paris. Dorthin war der Vater mit ihrer Mutter und den beiden Schwestern 1902 auf drei Jahre hin übersiedelt, als Sylvia fast vierzehn war. Paris war die Stadt ihrer in mancher Hinsicht sehr behüteten Adoleszenz. Als es später darum ging, sich von der nach Amerika zurückgekehrten Familie abzunabeln und ein eigenes Leben zu beginnen, war ihr intuitiv klar, dass es für eine Frau zu dieser Zeit keinen besseren Ort gab als die Stadt ihrer Jugend, wo sie in Adrienne Monnier einer »Freundin fürs Leben«
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