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Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)

Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)

Titel: Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bollmann
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hohen Preise nicht leisten konnten. Eine Leihanstalt wurde nur selten im Hauptbetrieb, meist zusammen mit einem Lesezirkel und einer Buchhandlung geführt. Die Betreiber von Leihbibliotheken spielten die hohen Preise, die die Verleger verlangten, wieder herein, indem sie die Bücher gegen Gebühr so lange ausliehen, bis sie förmlich auseinanderfielen. Je älter das Werk, desto billiger oftmals für den Entleiher. Die 1842 von Charles Edward Mudie in London gegründete Mudie’s Select Library umfasste Ende des 19. Jahrhunderts bereits über sieben Millionen Bände.
    Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Einrichtung der Leihbücherei indessen bereits im Niedergang. Ihn vermochten auch die »Novitäten-Lesezirkel«, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkamen, nur zeitweilig aufzuhalten. Diese Zirkel stellten ihren Mitgliedern die begehrten Neuerscheinungen zur Verfügung; sobald die Bücher Gebrauchsspuren aufwiesen, kamen sie ins »moderne« Antiquariat. Mehr und mehr zum Konkurrenten der Leihbücherei wurde die Presse, die in ihren Feuilletons Romane in Fortsetzungen abdruckte; insbesondere der Unterhaltungsbedarf war damit gestillt – ein Entleihen des gesamten Werkes erübrigte sich. Aber auch die Buchverleger entdeckten den Massenmarkt. Gut studieren lässt sich das an der Universal-Bibliothek von Reclam, die sukzessive aus dem Betrieb einer Leihbibliothek in der Leipziger Innenstadt, dem Literarischen Museum, hervorging. Eine Gesetzesänderung sorgte dafür, dass ab 1867 die Rechte vieler deutscher klassischer Autoren gemeinfrei wurden; die Verleger konnten ihre Werke nun verbreiten, ohne dafür Honorar zahlen zu müssen. Daneben sorgten Romanzeitungen, billige Reihen und Heftromane für eine wachsende Verbreitung der Unterhaltungsliteratur quer durch alle Schichten.
    Der anfängliche Erfolg der Läden von Adrienne Monnier und Sylvia Beach hatte damit zu tun, dass sie Nischen entdeckten und besetzten. Allerdings deckten im Fall von Shakespeare and Company die Leihgebühren die laufenden Kosten nur unzureichend, ganz zu schweigen davon, dass sie zum Ankauf der Bücher beigetragen hätten. Dafür sorgten Darlehen von Angehörigen, insbesondere der Mutter. Gewinne erwirtschaftete Sylvia Beach, wenn überhaupt, nur durch den Verkauf von Büchern. Ökonomisch stand Shakespeare and Company von Anfang an auf wackligen Füßen. Daran änderte auch der Ulysses nur »gefühlt« etwas, vielmehr verstrickte er die kaufmännisch keineswegs versierte Inhaberin in einen letztlich ruinösen und extrem stressigen »Boom-Bust-Zyklus«: Jede neue Auflage des Ulysses spülte erst einmal Geld in die Kasse mit der erfreulichen Folge, dass Sylvia Beach den Drucker bezahlen konnte und liquide war, was die laufenden Ausgaben und die Ergänzung des Sortiments betraf. Dann aber war das Honorar für Joyce zu bezahlen, der zwei Drittel der Einnahmen abzüglich der Druckkosten erhielt. Und damit nicht genug, Joyce haute das ihm ausgehändigte Geld regelmäßig binnen kurzem auf den Kopf: lud Familie und Freunde in teure Restaurants ein, gab großzügige Trinkgelder, fuhr erster Klasse, machte luxuriöse Anschaffungen, kurz, leistete sich, solange das Geld reichte (und es reichte nie lange), einen verschwenderischen Lebensstil, was zur Folge hatte, dass er schon bald wieder in der Rue de l’Odéon auftauchte, weil er finanziellen Nachschub benötigte. War sein Honorarkonto bei Shakespeare and Company erschöpft, bat er um Vorschüsse auf die nächste Auflage oder eine Übersetzungslizenz. Doch »bitten« ist zu wenig gesagt: Joyce, der zeitlebens auf Pump und von den Zuwendungen anderer zu leben gewohnt war, legte in derlei Dingen ein so raffiniertes wie erpresserisches Verhalten an den Tag, bei dem Liebenswürdigkeit und bittere Vorwürfe einander ablösten wie Ebbe und Flut in seinem Portemonnaie. Die menschenfreundliche Sylvia Beach hatte dem wenig entgegenzusetzen. Zur Rechtfertigung klagte Joyce: »Ich stecke andauernd in Schwierigkeiten, denen ich, wegen der Aufs und Abs an der Odéon-Börse, nicht gewitzt genug entgegentreten kann« – und das zu einer Zeit, da er von Shakespeare and Company monatlich zwischen 7000 und 10000 Francs für den Ulysses bekam. Scherzhaft nannte sie ihren Laden manchmal »Left Bank«, in Anspielung auf das englische Wort für das Seine-Ufer, an dem sie residierte, die Rive Gauche, aber natürlich auch in Anspielung auf ihre Funktion als Geldgeberin.
    Beinahe absehbar wurde die Left Bank mit

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