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Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)

Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)

Titel: Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bollmann
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Konventionen. So haben sich die fünf Frauen mit der Wahl des Mannes und seines Werkes, für die sie in den Kampf zogen, dann doch ein Denkmal gesetzt. Nicht nur, dass sie einem Buch zum Erfolg verhalfen, welches wir mittlerweile als einen Klassiker der modernen Literatur verehren. Nicht weniger als etwa Virginia Woolf trugen sie auch dazu bei, unser Bild und Verständnis von Kultur zu verändern: Alles, was im 19. Jahrhundert als Anathema von Kultur galt – das Sexuelle, Obszöne, Hässliche, das Schmutzige, Unbewusste, Irrationale, das Affektive –, akzeptieren wir mittlerweile wie selbstverständlich als Bestandteil der Kultur, ja, haben geradezu ein grundsätzliches Misstrauen dem gegenüber entwickelt, was allzu schön, rein, erhaben oder gebildet daherkommt.
    Sylvia Beach war nicht nur Buchhändlerin und Ein-Buch-Verlegerin, sie war darüber hinaus vor allem Vermittlerin, Anstifterin, Netzwerkerin, wie wir heute sagen würden – eine Frau, die Menschen und Bücher, Schriftsteller und Leser, aber auch Autorinnen und Autoren verschiedener nationaler Herkunft zusammenbrachte. »Großzügig und gleichzeitig bescheiden mischte sie uns alle zusammen, denn wir waren alle Schriftsteller und Entdecker«, so die britische Autorin Annie Winifred Ellermann, die sich nach einer kleinen Insel vor der Küste von Cornwall Bryher nannte und mit ihrem Erbe Sylvia Beach finanziell unterstützte. »Wir veränderten uns, die Stadt änderte sich, aber auch nach einiger Abwesenheit fanden wir stets Sylvia auf uns warten, die Arme voller neuer Bücher, und oft stand neben ihr in einer Ecke ein Schriftsteller, den wir kennenlernen wollten.« Shakespeare and Company war Treffpunkt, Club, Post und Lesesaal für die Avantgarde der Literatur (und für solche, die sich dafür hielten). Die Liste der Autorinnen und Autoren, die hier verkehrten und die Sylvia Beach miteinander und mit ihren französischen Kollegen bekannt machte, liest sich wie ein Who is Who der angloamerikanischen Literatur jener Jahre: Sherwood Anderson, Djuna Barnes, Natalie Clifford Barney, Samuel Beckett, Kay Boyle, Bryher, Malcolm Cowley, Nancy Cunard, Hilda Doolittle (bekannter unter ihren Initialen H. D.), T. S. Eliot, F. Scott Fitzgerald, Janet Flanner, Ford Madox Ford, Ernest Hemingway, Mina Loy, Robert McAlmon, Ezra Pound, Gertrude Stein mit der unvermeidlichen Alice B. Toklas im Schlepptau, Iris Tree, Thornton Wilder, William Carlos Williams – und natürlich James Joyce. Und es ging niemals förmlich zu. Zwei Jahrzehnte lang war Shakespeare and Company die kulturelle Hauptstadt Angloamerikas – und die lag in Paris.
    Mitte der 1930er Jahre tauchte eine junge Philosophin, Lehrerin und angehende Schriftstellerin bei Shakespeare and Company auf und machte dort nähere Bekanntschaft mit der Inhaberin und der englischsprachigen Literatur der Moderne. Während ihr Lebensgefährte Jean-Paul Sartre zumeist im friedlichen Refugium Adrienne Monniers weilte, fühlte sich Simone de Beauvoir mehr zu dem Laden gegenüber hingezogen, wo es lebhafter und lautstärker zuging und die Briten und Amerikaner zu Hause waren. »Als der monumentale Ulysses in Französisch erschien«, erinnerte sich Simone de Beauvoir Jahrzehnte später, »wurde uns das Tor zu einer Welt ausländischer Schriftsteller geöffnet: D. H. Lawrence, Virginia Woolf, der große Amerikaner Hemingway, Dos Passos, Faulkner, der unsere Vorstellung von dem, was ein Roman sein soll, völlig veränderte …« Am 4. September 1935 wurde Simone de Beauvoir Mitglied von Shakespeare and Company und entlieh in den nächsten sechs Jahren eine Unzahl amerikanischer Bücher. Sie fühlte sich der Gruppe zugehörig, die Adriennes und Sylvias Läden besuchte – »junge Rebellen«, wie sie meinte, »die die traditionelle Romanform in eine Waffe des sozialen Protestes umwandeln wollten«. In den Zeiten der Depression und des aufkommenden Faschismus hatte sich die amerikanische Literatur politisiert; die Helden der Romane von John Dos Passos und John Steinbeck waren die Opfer der ökonomischen Krise. Und manchmal, so Simone de Beauvoir weiter, sah sie »mit Herzklopfen plötzlich den Unnahbarsten und Unerreichbarsten« unter den von ihr aus der Ferne verehrten Schriftstellern in Fleisch und Blut: James Joyce …
    1939, als die deutschen Panzer in die Tschechoslowakei und nach Polen rollten, erschien Finnegans Wake, Joyc e ’ letztes Werk, sprachlich noch komplexer und »unlesbarer« als Ulysses . Sylvia Beach hatte seine

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