Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)
Entstehung anfangs noch finanziell unterstützt, dann zunehmend aus der Distanz verfolgt. Auf Joyc e ’ Bitte hin trafen sich der Autor, Sylvia Beach und Adrienne Monnier noch einmal in Shakespeare and Company, um unter dem Bild des Namenspatrons für Werbefotos zu posieren. Gisèle Freund, die Fotografin der berühmt gewordenen Aufnahmen, teilte inzwischen Tisch und Bett mit Adrienne Monnier, während Sylvia Beach in den Räumen über ihrem Laden allein lebte. Am 14. Juni 1940 begann die Okkupation von Paris. Gisèle Freund, die Jüdin war, gelang es noch, aus Paris in die freie Zone zu entkommen; später floh sie nach Buenos Aires. Adrienne und Sylvia verbrachten nun viel Zeit damit, für das Lebensnotwendige zu sorgen. Nahrungsmittel waren knapp, Heizen war nur drei Stunden am Tag gestattet. Von den Mitgliedern ihrer Leihbücherei, den »bunnies«, wie Sylvia sie scherzhaft nannte, blieben ihr noch dreiundfünfzig, darunter viele Studenten. Auch Simone de Beauvoir gehörte weiterhin dazu. Dennoch konnte Sylvia Beach von den mageren Einkünften aus dem Buchverleih einigermaßen leben, da die Eigentümerin des Hauses ihr die Miete erließ. Am 13. Januar 1941 starb James Joyce nach einer Darmoperation in einem Züricher Krankenhaus.
Die Lage verschärfte sich, als die Amerikaner nach der Bombardierung Pearl Harbors in den Krieg eintraten. Nun sind Sylvia Beach und Shakespeare and Company unmittelbar bedroht. Eines Tages hält ein großes graues Militärauto vor der Buchhandlung, dem ein hoher deutscher Offizier entsteigt. Zu Sylvia Beachs Verwunderung bleibt er eine Weile vor dem Schaufenster stehen und fixiert das dort liegende Exemplar von Finnegans Wake . Dann betritt er den Laden und verlangt in tadellosem Englisch das Buch.
Sylvia Beach: »Es ist nicht verkäuflich.«
»Warum nicht?«
»Es ist mein letztes Exemplar, ich möchte es behalten.«
»Für wen?«
»Für mich selbst.«
Die Miene des Offiziers verdüstert sich: »Ich bin außerordentlich interessiert an dem Werk von Joyce.«
Doch Sylvia Beach bleibt standhaft.
»Ich werde wiederkommen.«
Nachdem er gegangen ist, entfernt Sylvia Beach Finnegans Wake aus dem Schaufenster. Sie weiß, dass der Verkauf englischer Bücher von den Besatzern untersagt worden ist.
Vierzehn Tage später ist der Offizier zurück. Barsch wendet er sich an Sylvia Beach: »Wo ist Finnegans Wake ?«
»Ich habe es fortgeräumt.«
Der Offizier bebt vor Zorn: »Wir werden noch heute kommen und ihre gesamten Bestände beschlagnahmen.«
»Bitte sehr.«
Stampfend verlässt er den Laden.
Augenblicklich rennt Sylvia zur Concierge, die ihr eine ungenutzte Wohnung im vierten Stock aufschließt. Sie alarmiert Freunde, die ihr dabei helfen, sämtliche Bücher und Fotos sowie das Mobiliar nach oben zu tragen. Sie nehmen sogar die Lampen ab und entfernen die Elektrik. Ein Tischler schlägt die Regale zusammen. Zum Schluss hängen sie das Ladenschild ab. Ein Anstreicher übermalt noch den Namenszug an der Front des Hauses. Fertig. Binnen zwei Stunden ist Shakespeare and Company von der Bildfläche verschwunden, als habe es den Laden nie gegeben, es sei denn in der Phantasie eines merkwürdigerweise an englischsprachiger Avantgardeliteratur interessierten Nazi-Offiziers.
Postskriptum:
Man muss sich die Gesichter der verdutzten Deutschen vorstellen, wenn sie denn wirklich kamen, um die Bücher zu beschlagnahmen, und den Laden nicht mehr vorfanden, ja, nicht einmal einen Schriftzug oder sonst etwas, das seine Existenz bezeugte. Die Bücher und Fotos von Shakespeare and Company schliefen jedenfalls vier Stockwerke über dem Laden unbehelligt ihren Dornröschenschlaf, der sie davor rettete, in die Hände der Besatzer zu fallen. Schlimmer erging es der Ladenbesitzerin: Sylvia Beach wurde in ein Internierungslager gebracht; nach sechs Monaten wieder zurück in Paris, versteckte sie sich bis zur Befreiung in einem Studentenheim auf dem Boulevard St. Michel. Shakespeare and Company eröffnete sie nie wieder.
Eve Arnold, »Marylin Monroe«, 1955, © Eve Arnold/Magnum Photos/Agentur Focus
Lesen war ihre wichtigste Waffe im Kampf gegen das Image der dümmlichen Sexbombe. Selbst vor dem Ulysses, der Ikone der literarischen Hochkultur des 20. Jahrhunderts, schreckte Marilyn Monroes respektlose Leselust nicht zurück. Indem sie die Liebe der Frauen zu den Büchern erotisch auflud, hat die Monroe auch unser Bild vom Lesen verändert. Eine Hommage.
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Hollywood, 1955
Marilyn Monroe, die lesende
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