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Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)

Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)

Titel: Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bollmann
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– das passte nun einmal nicht zusammen. Und wenn doch, dann war daran irgendetwas faul. Entweder die Monroe las, weil ihr dritter Ehemann Arthur Miller ihr das mit seinen Pygmalion-Allüren verordnet hatte, oder aus Berechnung, um Männern wie ihm zu gefallen, was dann den Verdacht nahelegte, dass sie gar nicht las, sondern nur so tat.
    Inzwischen wissen wir, dass die Initiative zu solchen Aufnahmen durchaus von Marilyn Monroe selbst ausging. Sie fühlte sich zur Welt der Literatur und des Theaters beinahe genauso hingezogen wie zu Kameras. Dies war sicher auch dem Umstand geschuldet, dass sie sich zeitlebens wegen ihrer abgebrochenen Schulbildung schämte; mitten im zweiten Schuljahr der Highschool musste sie abgehen, um mit sechzehn den fünf Jahre älteren James Dougherty, einen Arbeiter bei den Lockheed-Flugzeugwerken, zu heiraten. Es war eine arrangierte Ehe, dazu ersonnen, Norma Jeane Mortenson, so Marilyns Geburtsname, eine Alternative zum Waisenhaus zu verschaffen; Grace Goddard, ihr Vormund, hatte eine Familie gegründet und konnte, besser wollte nicht länger für sie sorgen.
    Von Marilyn Monroe sind keine Kindheitsgeschichten überliefert, in denen ein Mentor dem Mädchen heimlich Romane zusteckt, die es vor den Augen der Mutter verstecken muss. Die schon früh in eine psychiatrische Klinik eingewiesene Mutter Marilyns und deren Freundin Grace, die als ihr Vormund fungierte, kannten nur ein Thema: das Kino und dessen vergötterte Stars, insbesondere Jean Harlow, die in den Zeiten der großen Depression wie keine andere Schauspielerin die Vorstellungen von Sinnlichkeit, Erotik und Glamour verkörperte. Jean Harlow wurde und blieb zeitlebens Norma Jeanes Bezugspunkt, sowohl was ihre Filmkarriere als auch was ihr Leben betraf, vom platinblond gefärbten Haar, der Heirat mit sechzehn – in Harlows Fall ein Salonlöwe, ebenfalls einundzwanzig Jahre alt wie Marilyns erster Ehemann –, über die beiden Frauen gemeinsame Mischung aus Ehrgeiz und Demut bis hin sogar zu dem vorzeitigen Tod, bei Jean Harlow bereits mit sechsundzwanzig Jahren. Selbst Marilyns Angewohnheit, die ständigen Pausen bei Filmaufnahmen zur Lektüre literarischer Werke zu nutzen, weist Parallelen zu Jean Harlow auf, von der berichtet wird, sie habe in den Studios stets eine kleine Tasche mit vier oder fünf Bänden mit Gedichten, literarischer Prosa oder Klassikern mit sich herumgetragen.
    Die Menschen, die ihre Karriere formten, machten die junge Marilyn zugleich über ihre rudimentäre Schulbildung hinaus mit der Literatur bekannt. So etwa ihre Schauspiellehrerin Natasha Lytess; sie charakterisierte ihre Schülerin später als eine »geistige Strandläuferin«, »die sich Dinge aus dem Wissensfundus anderer herauspickte und deren Meinungen in sich aufsog«. Oder Johnny Hyde, zeitweilig ihr Agent, der sie anregte, Bücher zu lesen und gute Musik zu hören, vor allem aber, sich ihr eigenes Urteil zu bilden und ihre Meinung zu äußern. Nicht selten spielten in solche Beziehungen Erotik und Sex mit hinein. So war Natasha Lytess schrecklich verliebt in Marilyn, und von Johnny Hyde heißt es, dass er verrückt nach ihr war. Während Marilyn Natashas Gefühle nicht erwiderte, ließ sie sich von Johnny Hyde lieben und war ihm sogar ein Jahr treu, ohne doch für ihn die gleiche Leidenschaft zu empfinden wie er für sie.
    Im Sommer 1949, als Marilyn für einen Film auf Werbetournee durch die USA geht, sehen wir sie abends im Hotel auf Empfehlung ihrer Mentoren Dostojewski, Marcel Proust und Thomas Wolfe lesen; daneben beschäftigt sie sich sogar angelegentlich mit Freuds Traumdeutung . Anschließend führt sie stundenlange Telefonate mit Natasha Lytess, die sie zu ihrer Lektüre befragt. Ein Jahr später dann, bei den Dreharbeiten zu Alles über Eva , erscheint sie am Set mit der Ausgabe von Rainer Maria Rilkes Briefe an einen jungen Dichter , wie sich der Drehbuchautor Joseph L. Mankiewicz erinnert. Ob ihr das Buch jemand empfohlen habe? Marilyn erzählt ihm, dass sie ab und zu Buchläden aufsuche. »Ich schmökere in ein paar Büchern, und wenn ich etwas lese, das mich interessiert, dann kaufe ich es. Und so habe ich mir gestern Abend das gekauft.« Vermutlich war Marilyns Interesse gleich von den ersten Sätzen Rilkes geweckt worden, in denen er »das Wesen eines Dichters« zu fassen versucht: »dieses ungeheure und kindliche Wesen, welches (man fasst es nicht: wie) nicht allein in endgültigen Gestalten früher aufkam, nein, sich hier, neben

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