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Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)

Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)

Titel: Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bollmann
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zweihundert Jahren von Wissenschaft und Kritik etablierten Grenzen zwischen E und U, zwischen hoher, kanonischer und Unterhaltungs- und Trivialliteratur ausgedient haben. Leserinnen und Lesern jedenfalls werden diese Barrieren zunehmend egal, und die Autoren folgen ihnen, mal williger, mal zögernder. In den Akt des Lesens gehen viele Faktoren ein, und diese sind unkontrollierbar: Wir wissen einfach nicht, was hinten rauskommt, und können es auch nicht steuern. Es ist schon beinahe Mode geworden, dass Autoren anspruchsvoller Literatur, aber auch professionelle Literaturkritiker ihre geheime Liebe zur Unterhaltungs- und Trivialliteratur bekennen. Das können Romane von Frauen mit Frauen für Frauen sein wie Margaret Mitchells Vom Winde verweht , Daphne du Mauriers Rebecca oder Vicki Baums Menschen im Hotel – allesamt prachtvolle Schinken, die viel subversiver sind als ihr Ruf und deren Lektüre sich bis heute lohnt. Andere haben ihre Lesesucht bei Krimis von Raymond Chandler, George Simenon oder Patricia Highsmith entwickelt. Wieder andere sind den Fotoromanen oder den Comics verfallen. In jüngster Zeit ist Fantasy die jugendliche Einstiegsdroge Nr. 1 in die weite Welt der Literatur.
    Gleichviel ob anspruchsvoll, unterhaltsam oder gar trivial – Literatur speichert und erregt Gefühle; sie rechnet mit Leserinnern und Lesern, die ihre häufig mühsam gezähmten Emotionen spielerisch ausagieren und es darin jenen gleichtun, die die Literatur geschaffen haben. Als Katalysator von Gefühlen ist sie alles andere als lebensfern. Aber gibt es überhaupt eine andere Literatur, jedenfalls eine, die wirklich gelesen wird? Ich möchte in diesem Buch eine Lanze für die good bad books brechen, wie G. K. Chesterton und George Orwell diese Bücher genannt haben. Damit ist jene Literatur gemeint, die wir alle gerne lesen, auch wenn wir sie nicht zu den literarisch ausgezeichneten, sprich zu den kanonischen Werken zählen würden. Doch in der Zeit, als der moderne Roman entstand, im 18. Jahrhundert, gab es einen solchen Kanon noch gar nicht; er kam erst auf, als die Literatur im Jahrhundert darauf Gegenstand nationaler Philologien wurde und in den Schulunterricht einzog. Ein heute kanonischer Romanautor wie Charles Dickens wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von seinen Zeitgenossen eher als Satiriker und Gefühlsmensch betrachtet denn als ernsthafter Künstler. Das heimliche, häufig als Laster betrachtete Vergnügen, das wir mit der Lektüre von Büchern verbinden, die wir dafür schätzen, dass sie uns große Gefühle verschaffen – dieses bei manchen mit Schuldgefühlen verbundene Vergnügen ist jedoch ganz grundsätzlich der Humus, auf dem der Roman insbesondere für Frauen und Jugendliche seit dem 18. Jahrhundert wuchs und gedieh. Noch bevor sie sehr viel später zu kanonischen Werken und zum Gegenstand von Bildung wurden, waren die Briefromane Samuel Richardsons, aber auch Rousseaus Julie oder Die Neue H é loïse und Goethes Werther nichts anderes als good bad books . Sie wurden nicht gelesen, weil sie so ausgeprägt literarisch waren oder wegen ihres intellektuellen Raffinements, sondern weil sie Gefühle beschrieben und diese auch bei ihren Lesern entfesselten, die in ihrer Darstellung so neuartig waren, dass sie einen Sturm entweder der Entrüstung oder der begeisterten Zustimmung auslösten. Auf keinen Fall ließen sie die Zeitgenossen kalt. Für good bad books ist es entscheidend, dass man als Leser von ihnen bewegt, erregt oder auch nur unterhalten wird, selbst wenn der Verstand sich weigert, sie ernst zu nehmen. Sie können haarsträubend sein, voll von absonderlichen, melodramatischen Begebenheiten; wichtig ist vor allem, dass sie von ihren Lesern als herzergreifend und im Grunde als wahr, als authentisch betrachtet werden und einen ernsthaften psychologischen oder sozialen Hintergrund haben. Dann kann es geschehen, dass sie noch gelesen werden, wenn sehr viel literarischere Werke längst nur noch Literaturhistorikern etwas sagen.

Gegenwart
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Naomi Wilkinson, »Reading on the beach«, 2013, © Eastwing
    Herrgott, was ist nur mit den lesenden Frauen los? Erst verwandeln sie sich der Liebe halber bei Morgengrauen und Abendrot in einen Vampir. Dann züchten sie Avocados in Feuchtgebieten und murmeln anschließend Schoßgebete. Und schließlich bedienen sie den superattraktiven, leider etwas gestörten Herrn Grey im Baumarkt, der Kreppband, Kabelbinder und Naturfaserseil erstehen möchte. Ist das nun die

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