Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)
zählten auch französische Konversation zusammen mit den Fürstenkindern am Hof, Theater-, Opern- und Konzertbesuche sowie eine angemessene Garderobe. Während die Fürstin ihrem Schützling nach Ablauf der Lehrjahre eine bescheidene Laufbahn als Gouvernante nahelegte, hatte Jenny, wie sie von ihrer Mäzenin gerufen wurde, sich mittlerweile in den Kopf gesetzt, als Opernsängerin zu reüssieren. Mathilde ließ ihr den Willen und schickte sie zwei weitere Jahre zur Fortsetzung ihrer Ausbildung nach Wien. Für Eugenie wurden es die schönsten Jahre ihres Lebens. Es war der ersehnte Aufstieg aus der Aschenputtelrolle der verarmten Malertochter zur jungen Sängerin mit glänzenden Zukunftsaussichten.
Mathilde vermittelte Eugenie ein Debüt als »Fürstlich Schwarzburg-Sondershausensche Kammersängerin«: Am 8. März 1847 war sie in der Oper Das Nachtlager in Granada des biedermeierlichen Komponisten Conradin Kreutzer in der Rolle der Gabriele zu sehen. Aber es kam anders, als Mathilde erwartete: Die Einundzwanzigjährige versagte. »Angst und Aufregung raubten der armen jungen Sängerin vollständig die Fähigkeit, ihre Stimme, ihr Talent auch nur zum kleinsten Teile geltend zu machen.« So hat es der Sänger Ernst Pasqué, der damals gemeinsam mit ihr auf der Bühne stand, im Nachhinein beschrieben. Es half alles nichts: Eugenie musste zurück nach Sondershausen und sollte auf der kleinen Hofbühne erst einmal Sicherheit gewinnen.
Doch zu dem kleinen Unglück gesellte sich ein größeres: Die Ehe von Günther und Mathilde wurde geschieden; die Unterstützung durch ihre Gönnerin nahm plötzlich ein Ende, und Eugenie musste als Sängerin auf eigenen Beinen stehen. Sie versuchte es erneut in Wien, tingelte dann in Begleitung ihrer Mutter durch die österreichische Provinz. Die Lösung kam in Gestalt einer Erkrankung: Immer öfter wurde Eugenie von einer plötzlichen, nur vorübergehend auftretenden Schwerhörigkeit geplagt – ohne Zweifel ein psychosomatisches Leiden, das sich insbesondere vor Auftritten geltend machte, verursacht durch notorisches Lampenfieber. Eugenie rang sich schließlich dazu durch, ihren Beruf aufzugeben.
In dieser Situation nahm sich die geschiedene Fürstin ihres ehemaligen Schützlings erneut an und engagierte sie als Vorleserin. Und auch als Sekretärin, Organisatorin, Gesellschafterin, Reisebegleiterin; später, als Mathilde immer häufiger an Depressionen zu leiden begann, musste Eugenie zeitweise sogar die Aufgaben einer Krankenpflegerin übernehmen. Aber ein wesentlicher Teil ihrer Tätigkeit bestand darin, der Fürstin, die literarisch sehr interessiert war, in abendlichen Mußestunden auf dem väterlichen Schloss Friedrichsruhe, in ihrem Münchner Stadtpalais in der Schellingstraße oder auf ihren zahlreichen Reisen vorzulesen. Damen der Gesellschaft, insbesondere solche aus aristokratischen Kreisen, ließen sich Bücher lieber von anderen, in der Regel ihren Gesellschafterinnen vorlesen, als dass sie sich der einsamen und stillen Lektüre hingaben. Der räumten erst die Frauen aus dem Bürgertum den Vorzug vor dem lauten Lesen in Gemeinschaft ein.
Damit nicht genug: Der Mode ihrer Zeit geschuldet, schrieb Mathilde Gedichte. So gehört es auch zu Eugenies neuem Aufgabenbereich, die Verse ihrer Vorgesetzten zu redigieren und zu einem Bändchen zusammenzustellen, das unter dem Pseudonym M. v. Dornheim erschien. Einen Titel dafür gab es auch schon, frei nach Eduard Mörike: Gold ist, was Lust ist . Ganz nebenbei entstanden so auch eigene Verse Eugenies im Stile der Spätromantik, inspiriert von Gedichten Uhlands, Rückerts oder Mörikes. Zur Veröffentlichung waren sie gewiss nicht bestimmt.
Nur zu gern wüsste man, welche Bücher es denn waren, die Juno, wie Eugenie in ihrer neuen Position nun von der Fürstin genannt wurde, ihr vorlas. Flauberts Madame Bovary , 1857 vollständig in Buchform erschienen, war sicher nicht darunter, obwohl eine erste deutsche Übersetzung bereits 1858 im Wiener Verlag A. Hartleben vorlag, der Unterhaltungsromane publizierte. Die französische Belletristik, insbesondere die Romane des 1850 verstorbenen Honoré de Balzac, genoss im biedermeierlichen Deutschland keinen guten Ruf; junge Frauen, so sagte man, würde sie zu unbesonnenen Liebeshändeln, gestandene Ehefrauen hingegen zum Ehebruch verleiten. Manche Indizien sprechen hingegen dafür, dass Jane Eyre , der 1847 erschienene, autobiographische Züge aufweisende Roman von Charlotte Brontë, der
Weitere Kostenlose Bücher