Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)

Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)

Titel: Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bollmann
Vom Netzwerk:
Abendstunden unterhält, selbst zu schreiben beginnt. Zwei Novellen entstehen dabei und ein Roman, der, wie schon die Zeitgenossen bemerkt haben, zahlreiche Anklänge an Jane Eyre enthält. Für die Stoffe ihrer Bücher wählt Eugenie John mit Vorliebe authentische Vorfälle; zwar durchstreift sie nicht wie Sue die Schlupfwinkel der Großstadt, doch greift auch sie auf Zeitungsberichte und mündliche Erzählungen zurück. In ihren Geschichten hält sie sich an Milieus, die sie aus eigener Erfahrung kennt, und die liegen nun einmal in der Kleinstadt. In München lernt sie noch im Hause der Fürstin Friedrich Martin von Bodenstedt kennen, seinerzeit ein Star der dortigen Literaturszene. Der Dichter, Romancier und Honorarprofessor für englische und slawische Sprachen ermutigt sie sogar zum Schreiben. Auf Fürsprache Mathildes hin überlässt sie ihm einige Manuskripte, mit der Bitte, sie an ein Literaturmagazin zu vermitteln. Das misslingt. Ihre Entmutigung ist aber nicht so groß, als dass sie darüber den Plan verwerfen würde, der immer deutlichere Gestalt angenommen hat: Sie will vom Schreiben leben, ja, sich überhaupt ein Leben ermöglichen.
    1863, nach zehn Jahren, löst Eugenie John die Verbindung zur Fürstin. Sie kehrt nach Arnstadt zurück und wohnt bei der Familie ihres Bruders in anfangs sehr beengten Verhältnissen. Sie ist jetzt achtunddreißig Jahre alt, hat nach damaligen Maßstäben das heiratsfähige Alter längst überschritten. Zu ihrem Gehörleiden kommt eine beginnende entzündliche Gelenkerkrankung, die sie in wenigen Jahren an den Rollstuhl fesseln wird. Der Anfang vom Ende, in summa ein in allen Belangen gescheitertes Frauenleben, wie es damals gar nicht so selten vorkam?
    Das Gegenteil ist der Fall, es geht erst richtig los. Im Nachhinein ist dann alles ganz einfach gewesen. So klingt es jedenfalls in einem Brief, den Eugenie John 1866 an Leopoldine von Nischer-Falkenhof, ihre Freundin noch aus Wiener Tagen, geschrieben hat:
    Im September vorigen Jahres bin ich unter dem Pseudonym »E. Marlitt« in die literarische Welt hinausgetreten. Ich war schon mit dem Vorsatz, schriftstellerisch zu wirken, aus meinem Verhältnis zur Fürstin geschieden. Meine Muße in der Heimat fleißig benutzend, hatte ich bald mehrere Arbeiten vollendet und sandte eine derselben kühner Weise ohne Weiteres an die Redaktion der Gartenlaube, eine der renommiertesten norddeutschen Zeitschriften. Schon nach vier Tagen erhielt ich ein höchst schmeichelhaftes Schreiben, welches mir eröffnete, dass die Redaktion die Novelle mit Dank zum Abdruck annehme, und mich schließlich aufforderte, Mitarbeiter des Blattes zu werden. Ich besann mich nicht lange, und so sind bereits in dem Zeitraum von zehn Monaten drei Arbeiten im Umfang von ungefähr 12 Bogen erschienen. Die größte derselben, der Roman Gold-Else, welcher von Januar –Juni gedruckt wird, hat viel Geld gemacht und wird gegenwärtig abermals zum Druck vorbereitet, um mit Beginn des nächsten Jahres in Buchform zu erscheinen.
    Eugenie John möchte, dass ihre Freundin diese Nachricht vertraulich behandelt. Denn außer ihren nächsten Angehörigen ist die Identität E. Marlitts mit der Person der Briefschreiberin bislang niemandem bekannt, nicht einmal Ernst Keil, dem Verleger und Herausgeber der Gartenlaube . Im Nachhinein hat man über einen Sinn des Pseudonyms spekuliert, ob sich in MARLITT etwa die Anfangsbuchstaben der Wörter »Meine ARnstädter LITT eratur« verstecken könnten (damals schrieb man Literatur von lateinisch littera noch mit zwei t ). Der Autorin viel wichtiger hingegen war das E. Natürlich stand es für Eugenie, aber wer das nicht wusste, dachte zuerst einmal an Eduard, Eugen oder auch Ernst. Und so verhielt es sich in der Tat auch beim Verleger der Gartenlaube , als 1865 die ersten Manuskripte aus Arnstadt auf seinem Schreibtisch lagen. 1868 wurde dann durch eine Indiskretion das Pseudonym gelüftet. Da hatte Eugenie John indes schon längst erreicht, was sie mit der Wahl des geschlechtsneutralen Pseudonyms bezweckt hatte: erst einmal geheim zu halten, dass eine Frau der Verfasser der Romane und Novellen war, die sie der Gartenlaube zur Veröffentlichung anbot und die dort in einer in Deutschland bislang unerreichten Weise Erfolge feierten.
    Die Wahl eines männlichen beziehungsweise geschlechtsneutralen Pseudonyms war eine häufig gewählte Praxis von Autorinnen, um die Hürde aus Vorurteilen zu nehmen, die gegenüber der Literatur von Frauen

Weitere Kostenlose Bücher