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Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)

Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)

Titel: Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bollmann
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bestanden. Benedikte Naubert hatte ihre Romane, wie wir gesehen haben, noch anonym erscheinen lassen. Mary Anne Evans tat es George Sand nach und trat seit 1857, dem Zeitpunkt ihrer ersten literarischen Veröffentlichung in einer Zeitschrift, unter dem Namen George Eliot auf. Der gewählte Vorname verwies nicht nur auf das in dieser Hinsicht literarische Vorbild, sondern auch auf ihren Lebensgefährten, den noch verheirateten George Henry Lewes, mit dem sie – im viktorianischen England ein Skandal – eine wilde Ehe führte. Ihre weibliche Identität enthüllte sie später selbst, als ihre Romane einem Bäckersohn zugeschrieben wurden, dem die plötzliche Prominenz durchaus gefiel. In den 1840er Jahren hatten die Schwestern Brontë ihre Werke unter männlichem Pseudonym veröffentlicht, dabei aber die Zugehörigkeit zu derselben Familie weiterhin betont. Sie nannten sich Bell: Charlotte Brontë, die Autorin von Jane Eyre , wurde zu Currer Bell, Emily Brontë zu Ellis Bell und Anne Brontë zu Acton Bell. Anders als die beiden Georges (Sand und Eliot) und auch E. Marlitt sind die Brontë-Schwestern letztlich nicht unter ihren Pseudonymen in die Literaturgeschichte eingegangen. Noch 1870 aber, in einer ausführlichen Würdigung der »Novellistin der Gartenlaube« durch Rudolf von Gottschall in den Blättern für litterarische Unterhaltung ist von dem »Roman der Currer Bell« die Rede, wenn der Rezensent auf den Einfluss von Jane Eyre auf Marlitts Erstling Goldelse zu sprechen kommt.
    E. Marlitt und Die Gartenlaube – das ist die Geschichte einer Symbiose, wie sie selbst im an persönlichen Beziehungen reichen Verlagswesen nicht alle Tage vorkommt. Die Legende will es, dass Ernst Keil Die Gartenlaube im Gefängnis konzipiert hat. Im Nachlass des Erfinders von Deutschlands erfolgreichster Familienzeitschrift des 19. Jahrhunderts fand sich ein vergilbtes Blatt mit der Aufschrift: »Erste Plannotizen zur GARTENLAUBE , niedergeschrieben in meiner Zelle Nr. 47 im Landesgefängnis Hubertusburg, Anfang 1852 in der Dämmerstunde beim Auf- und Niedergehen in der Zelle.«
    Ernst Keil war ein gelernter Buchhändler, der zum Journalismus fand. Das von ihm 1846 gegründete Monatsblatt Der Leuchtturm entwickelte sich bald zu einer führenden Zeitschrift der Demokratisierungsbewegungen in Deutschland. Immer wieder wurde sie von der Zensur verfolgt; 1848 dann erlebte Der Leuchtturm kurzzeitig eine Phase der Freiheit, um bald danach gänzlich verboten zu werden. Keil wanderte ins Gefängnis. Und verließ es mit dem Konzept für Die Gartenlaube . Wie schon Der Leuchtturm sollte es ein Blatt belehrender Unterhaltung und unterhaltsamer Belehrung werden, doch weniger dezidiert politisch, stärker familienorientiert. Der Namenswechsel war Programm. In der Gartenlaube saß die Familie in geselliger Runde beisammen, ließ sich vom silberhaarigen Familienoberhaupt vorlesen und besprach »fern von aller raisonnierenden Politik und allem Meinungsstreit in Religions- und anderen Sachen« die Dinge des Lebens. So verkündete es die erste Nummer, und so zeigte es die Illustration auf dem Titelblatt jeder künftigen Ausgabe. Dazu zählte beispielsweise das erwachende Interesse an der Naturwissenschaft; in populären Briefen aus der Natur wurden die »wichtigsten und nächstliegenden Fragen aus dem Naturleben« besprochen, und zwar so, »dass sie die gewöhnlichsten Handwerker, besonders aber die Frauen verstehen können«.
    Doch auch die Belletristik war angemessen vertreten, jedenfalls soweit es zum Konzept der Volksaufklärung mit Familienanschluss passte. Der Dichter hatte da in die zweite Reihe zu treten. Typisch für Die Gartenlaube waren etwa die Erzählungen des ehemaligen Oberlandesgerichtsdirektors Jodocus Donatus Hubertus Temme, die Fälle aus der Kriminalpraxis aufgriffen. Oder eine Serie »Goethes Leben und Dichten in Vorträgen für Frauen« von Max Ring, der ursprünglich Arzt war. Und seit 1865 die Prosa der Marlitt. Für sie ließ Ernst Keil sogar von seinem ursprünglichen Plan ab, nur abgeschlossene Novellen und keine Romane in Fortsetzungen zu bringen. E. Marlitts zweite Veröffentlichung in der Gartenlaube war bereits ihr Roman Goldelse , der verteilt auf neunzehn Ausgaben erschien.
    Nach und nach gelang es der Autorin immer besser, sich das Prinzip der seriellen Gestaltung zu eigen zu machen. Keils enthusiastische Reaktion auf ihre unverlangte Manuskripteinsendung hatte einen einfachen Grund: Mit seiner Magazinerfahrung

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