Frauenbataillon
ist's doch gleich, wo sie stirbt. Wenn es zu schlimm wird, kann ich … kann ich …« Plötzerenke schluckte und drehte den Kopf weg. Ursbach atmete tief durch. »Können wir zu ihr gehen, Herr Unterarzt?«
»Ich habe nichts bei mir.«
»Verbandszeug, Sulfonamidpuder, Wundsalbe … alles ist da. Aber es hilft nichts.«
»Das sieht ja böse aus …«
»Ich weiß …«
Sie stiegen aus dem Graben und gingen schweigend durch die Nacht. Als sie die ersten Ruinen erreicht hatten und im Schatten einer Hauswand standen, sagte Plötzerenke:
»Herr Unterarzt, ich habe tagelang hin und her überlegt. Wenn ich nun sage, das ist eine Bäuerin, die heimlich in ihr altes Dorf geschlichen ist, um noch etwas aus ihrem Haus zu holen, und ich habe sie gesehen und angeschossen … das muß man doch glauben.«
»Trägt sie Uniform?«
»Ja – « Plötzerenke rang die Hände. »Irgendwo müssen doch Zivilklamotten aufzutreiben sein, weiter hinten beim Regiment oder bei der Division. Könnten … könnten Sie keine besorgen …?«
»Sie machen mich zum vollkommenen Komplizen, Plötzerenke!«
»Nur als Arzt …«
»Damit kann man nicht alles zudecken! Also gut, Bäuerinnenkleider. Und was dann?«
»Dann ist sie keine Scharfschützin mehr, und der SD hängt sie nicht auf.«
»Wissen Sie denn, ob sie das überhaupt will … das mit den Zivilkleidern?!«
»Sie will doch auch weiterleben!« In Plötzerenkes Blick lag kindliches, naives Staunen. »Jeder will doch leben!«
»Bei dieser Art von Frauen wäre ich mir da nicht so sicher. Ich muß sie erst sehen.«
Sie schlichen durch das Trümmerdorf wie ein Spähtrupp. Plötzerenke bestand darauf, weil er unbedingt vermeiden wollte, daß ein Posten das Versteck entdeckte. Bewußt machten sie daher auch einige Umwege, bevor sie die Scheune betraten. Plötzerenke ließ seine Taschenlampe aufleuchten, strahlte Schanna an und entzündete dann die Petroleumlampe.
Schanna Iwanowna lag im Stroh, mit zwei Decken zugedeckt, hatte die Augen weit offen und zitterte wieder in einem Anfall von heftigem Schüttelfrost. Die Wunde stach, als treibe man einen Speer nach dem anderen in ihre Schulter; der Schmerz drang bis in die Zehenspitzen und glühte in allen Nerven. Sie stöhnte laut, als Plötzerenke neben ihr niederkniete, vorsichtig die Decken wegzog und ihre Fesseln löste. Ursbach räusperte sich. Schannas Jugend und Schönheit ergriffen ihn auf eigenartige Weise; es war keine Erotik dabei, vielmehr empfand er es als eine Art von Miterleben, wie es einen überkommt, wenn man ein Kind leiden sieht.
»Mußte das sein?« fragte er gepreßt.
»Sonst wär' sie doch weggelaufen, Herr Unterarzt.«
»Also eine durchaus einseitige Liebe …«
»Noch …«
»Da wird sich kaum was ändern, Plötzerenke, Sie verdammter Spinner.« Der Zauber war verflogen. Ursbach sah Schanna und ihre Situation jetzt realistisch. Die Scharfschützin, die verwundet in Plötzerenkes Hand gefallen ist und nun laufend vergewaltigt wird. Eine Sauerei, um es milde auszudrücken! »Es wäre wirklich besser gewesen, sie laufen zu lassen …! Man sollte Sie doch kastrieren, Plötzerenke!«
Ursbach setzte sich neben Schanna und zog ihr die Feldbluse von den Schultern. Ihr Blick war trotz der Schmerzen wild und abwehrend.
»Njet!« sagte Ursbach und schüttelte den Kopf. »Ich tue dir nichts.« Er zeigte auf sich und lächelte Schanna Iwanowna beruhigend an. »Ja wratsch … doktor … Ja rana prowerjat …«
Plötzerenke fuhr sich mit den Händen durch die Haare. »Sie sprechen Russisch …« Seine Stimme zitterte vor Glück.
»O Gott, nein. Russisch kann man das kaum nennen. Ich reihe ein paar Worte aneinander und hoffe, sie versteht mich.«
Schannas Blick entspannte sich etwas. Sie sah Ursbach interessiert an und sagte ein paar Worte, die der Unterarzt nicht begriff. Die Worte kamen wie aus einem glühenden Ofen, wurden hinausgehaucht von einem heißen Atem.
Ursbach wickelte den Verband ab. Der faulig-süße Eitergeruch, der ihm entgegenschlug, verriet bereits genug. Als er die Schulterwunde freigelegt hatte und Plötzerenke den Taschenlampenstrahl auf die Schulter richtete, wußte Ursbach, daß hier nur noch eine Operation helfen konnte. Mit Medikamenten war nichts mehr auszurichten, jedenfalls mit keinem von denen, die man hier in vorderster Linie zur Verfügung hatte.
»Wund… Wundbrand …?« stotterte Plötzerenke voller Angst.
»Noch nicht. Aber wenn nicht schnell was passiert, können Sie darauf warten. Sie
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