Frauenbataillon
muß operiert werden. Der Schußkanal war nicht sauber – da muß man aufschneiden und ausräumen …«
»Und … und können Sie das, Herr Unterarzt?«
»Hier?«
»Ja!«
»Nein! Es handelt sich um eine richtige Operation, Plötzerenke. Mit Narkose und allem, was dazu gehört.«
»Beim Vormarsch und beim Rückzug haben sie auf dem Hauptverbandsplatz ganz andere Sachen gemacht. Ich hab's gesehen, Herr Unterarzt. Da haben sie amputiert, da haben sie Granatsplitter aus den Därmen geholt … Da war einer, dessen ganzer Rücken war aufgerissen, und den haben sie geflickt! Da ist das doch hier nur eine kleine Wunde … Bitte, versuchen Sie es, bitte …«
Ursbach untersuchte die Wunde gründlich und lächelte Schanna zu, wenn sie vor Schmerzen seufzte oder die Zähne zusammenbiß. »Ja xotschu pomotsch … (Ich möchte helfen)«, sagte er. Schanna verstand ihn und nickte. Er puderte die Wunde wieder ein – mehr konnte auch er jetzt nicht tun – und verband sie neu. »Saftra ja pritti … (Morgen ich kommen).« Er zeigte Schanna seine schlanken Hände und bewegte die Finger. »Operazija …«
Dann bettete er Schanna vorsichtig ins Stroh zurück und deckte sie wieder zu. Plötzerenke packte seinen Brotbeutel aus: Schokolade, einen Klumpen Vierfruchtmarmelade in Pergamentpapier, einen Kanten Kommißbrot, ein Stück Käse und zwei Dosen Bier. Mit aufmunterndem Grinsen zeigte er ihr seine Schätze, aber Schanna schüttelte den Kopf und schloß die Augen.
»Sie kann nichts essen. Das Schlucken fällt ihr schwer«, sagte Ursbach.
»Ich werde ihr morgen früh eine Mehlsuppe besorgen. Das geht doch, nicht wahr?«
»Wo wollen Sie die denn organisieren?«
»Nur Milchpulver. Mehl habe ich noch. Kochen tu ich im Bunker. Das Milchpulver bekomm ich von der Feldküche – dafür erzähl ich denen dort drei dreckige Witze!«
»Vor allem dürfen Sie das Mädchen nicht mehr festbinden, Plötzerenke. Das ist ja die reinste Folter!«
»Und wenn sie wegläuft?«
»Wohin denn? Über den Fluß? Sie ist so schwach, daß sie nicht einmal bis zum Ufer kommt.«
Plötzerenke blickte Schanna an. Ihr Gesicht, umrahmt von den schwarzen Haaren, war noch schmaler, noch kindlicher geworden. Wie schön sie ist, dachte er. Dieser verdammte Krieg! Ohne ihn hätte ich sie zwar nicht kennengelernt, das stimmt – aber jetzt könnte er aufhören! Schanna, für dich würde ich Tag und Nacht schuften. Du würdest es gut haben bei mir. Nichts würde dir fehlen, wirklich, ich kann arbeiten wie ein Stier, mir ist nichts zu schwer und zu dreckig, ich habe Hände, die können anpacken. Das könnte ein schönes Leben werden, mit einem Garten und einem Häuschen. Ja, das baue ich uns, Schanna, da werden die andern staunen und vor Neid erblassen! Und du lernst Deutsch oder ich lern' Russisch, mal sehen, was einfacher ist, da gibt es gar keine Schwierigkeiten, Schanna. Nur der Mistkrieg steht dazwischen, nur der …
»Sie haben recht, Herr Unterarzt«, sagte er. »Wo soll sie hin? Ich fessele sie nicht mehr …«
Er beugte sich über sie, küßte ihre Augen und ihre Stirn und löschte die Petroleumlampe. Draußen, an der Scheunenwand, hielt Ursbach plötzlich Plötzerenke fest.
»Ist Ihnen klar«, fragte er, »daß da drinnen Ihr Todesurteil liegt, wenn man sie entdeckt?«
»Wenn Sie den Mund halten, wird sie niemand entdecken …«
»Und wenn ich ihr nicht mehr helfen kann?«
Plötzerenke blickte hinauf in den fahlen Nachthimmel. Es war eine jener samtwarmen, mildschwarzen Sommernächte, in denen man nicht schlafen, sondern wandern will.
»Dann werde ich sie erschießen«, sagte Plötzerenke leise. »Ich liebe sie. Sie soll nicht lange und qualvoll leiden.«
Am besten wäre es, wenn sie morgen verschwunden ist, dachte Ursbach. Ich habe es an ihrem Blick erkannt. Sie gehört nicht zu den Mädchen, die sich mit ihrem Schicksal abfinden. Sie kämpft um jede Stunde, die sie selbst bestimmen kann. Plötzerenke liebt sie – aber was er von ihr besitzt, ist nur ihr wehrloser Körper. Seine Zärtlichkeit geht bei ihr nicht unter die Haut, nicht einen Millimeter. Aber das begreift er nicht.
Sie sollte wirklich weglaufen … und sei's auch nur, um wie ein Hund in einer stillen Ecke zu sterben.
Langsam gingen sie zur Stellung zurück. Als sie einen Posten, der hinter einem Mäuerchen hockte und »Parole!« rief, passierten, antwortete Plötzerenke: »Arschloch im Quadrat!«, was vollauf genügte, weil jeder wußte, wer solche Antworten gab. Dann
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