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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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erreichten sie den Einstieg zum Graben.
    »Wann gehen Sie wieder zu ihr?« fragte Ursbach leise.
    »Morgen früh. Wenn ich die Mehlsuppe noch nicht habe, bringe ich ihr Tee und Brot mit Kunsthonig.«
    »Und niemand hat bisher Verdacht geschöpft? Sie schleichen doch da dauernd im Gelände herum!«
    »Nein. Angst habe ich nur vor Hesslich und Dallmann, die zwei hören und sehen alles. Aber bisher haben sie sie noch nicht entdeckt. Außerdem habe ich da draußen ja ein Gärtchen, das ich pflege, das weiß jeder.«
    »Und wenn Sie mal einer von der Kompanie besucht?«
    »Dann bin ich da und bestimme, was passiert. Und wenn ich nicht da bin, braucht mich keiner zu besuchen.«
    Diese Logik war unwiderlegbar, und bisher hatte sie auch immer funktioniert. Ursbach gab Plötzerenke die Hand, versprach, morgen nacht mit Operationskoffer und allem, was er sonst noch benötigte, wieder da zu sein, und ging zurück zum Kompaniebunker.
    Leutnant Bauer III, Hauptfeldwebel Pflaume und Fähnrich Lorenz v. Stattstetten, der ›sechsfache T-Träger‹, wie man ihn nannte, saßen am Tisch und spielten Skat. Auch ihnen war die Samtnacht zu schade, um zu schlafen. Stattstetten war nur widerwillig zum Skat gekommen, nachdem eine Ordonnanz im Auftrag von Bauer III ihn geholt hatte. Er betätigte sich inzwischen als Dichter und schrieb Gedichte für seine kleine Ukrainerin von der Propagandakompanie. Bisher hatte er nur einen einzigen kurzen Brief von ihr erhalten. Der Lautsprechertrupp, zu dem sie gehörte, war pausenlos im Einsatz und zog an der Front hin und her. Sobald er abzog, antworteten die Sowjets mit Granatfeuer und Bomben, und bei den deutschen Truppen gab es Tote und Verwundete. Der Propagandatrupp war dementsprechend unbeliebt; die Kompaniechefs wehrten sich gegen seinen Einsatz in ihrem Abschnitt, aber alle Vorhaltungen blieben vergeblich. Der Sonderauftrag sei von höchster Stelle abgesegnet, hieß es ziemlich hilflos. Wir wissen alle, daß es nach ihrem Einsatz knallt, aber es läßt sich nicht verhindern. Psychologische Kriegführung – da gibt's in Berlin extra eine umfangreiche Dienststelle.
    »Ich habe wenig Zeit, zu schreiben«, malte die kleine Ukrainerin in ihren Brief. »Aber Du schreibst so schön. Ich liebe Dich, mein Schatz. O Gott, wenn wir den Krieg überleben …«
    Lorenz v. Stattstetten ließ sich von der Schreibstube einen Packen Papier kommen und dichtete in seinem Bunker lange Verse im Oden- oder Sonettstil, in freien Rhythmen oder nach griechischem Vorbild.
    Du, der du Sonne bist und Stern,
zeitlos im Wandel gleitend Tag und Nacht,
Unendlichkeit im Pulsschlag allen Lebens,
du bist in mir Atom und Weltenraum …
    Das klang sehr schön, auch wenn Bauer III, der ein paar dieser Gedichte las, sagte:
    »Lorenz, was soll das? Das Mädchen siehst du nie wieder, und dichten konnte Hölderlin besser! Komm zu 'nem anständigen Skat …«
    Ursbach legte Koppel und Rock ab und setzte sich an den Tisch. Bauer III hatte gerade eine Herzflöte in der Karte und kassierte fleißig Stich um Stich. »Da sind Sie ja endlich, Sie Knochenbrecher!« rief er und lachte. »Wo waren Sie bloß? Hab Sie überall gesucht. Sie müssen unseren Fähnrich ablösen, der spielt Skat wie ein gelbsüchtiger Chinese!«
    »Ich war am Donez«, sagte Ursbach und krempelte die Hemdsärmel hoch. »Diese Stille und diese Weite! Man kann kaum glauben, daß wir Krieg haben, so schön ist das …«
    »O Josef und Maria, jetzt fängt der auch noch an zu dichten!« schrie Bauer III. Er warf Ursbach die Karten zu und rieb sich die Hände. »Mischen Sie zum Einstand, Unterarzt! Eure Sentimentalität wird euch ganz schön in die Hose rutschen, wenn der Iwan wieder auf den Knopf drückt.«
    In dieser Nacht gelang Schanna Iwanowna eine großartige Leistung.
    Vom Fieber durchglüht und vom Schüttelfrost gebeutelt, kroch sie auf Händen und Knien aus der Scheune. Im Mund schleifte sie die Petroleumlampe mit. Sie hatte die Zähne fest in den Henkel gegraben, und bei jedem Kriechschritt schwappte Petroleum in den Docht und tropfte auf ihre Lippen. Der Geschmack war ekelerregend, aber sie ertrug ihn so, wie sie auch den Höllenschmerz ertrug, der ihren Körper auszehrte.
    Hinaus, dachte sie nur. Hinaus! Nur vor die Tür. Und dann die Lampe anzünden und ein Zeichen geben. Sie werden es sehen, sie müssen es sehen, sie können mich nicht einfach vergessen haben. Name: Schanna Iwanowna Babajewa. Abgehakt. Nicht mehr vorhanden! Ihr lieben Genossinnen, ich bin noch

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