Frauenbataillon
da!
Die Tränen rannen ihr aus den Augen, aber sie schaffte es, die Scheune zu verlassen, kroch, mit der Lampe zwischen den Zähnen, hinaus ins Freie und lag dann weinend und zitternd auf den Steinen des Hofes. Wälzte sich auf den Rücken und starrte in den Sternenhimmel.
Eine halbe Stunde blieb sie liegen, ehe sie die Kraft hatte, sich aufzurichten und die Streichhölzer in die Hand zu nehmen, die Plötzerenke neben die Lampe gelegt hatte.
Wenn sie mich sehen, werden sie morgen kommen, dachte Schanna Iwanowna. Stella, Marianka, Lida und andere … und sie werden keine Gnade kennen. Sie werden dich erschießen, Fritz! Ich werde traurig sein. Du hast mich gepflegt, du hast mir zu essen und zu trinken gebracht, du hast mir Lieder vorgespielt und hast gesungen. Aber hinterher bist du immer wie ein Tier über mich hergefallen und hast meine Ehre in den Dreck gezogen. Und ich habe mir immer wieder geschworen: Rache! Rache! Rache! Ich weiß, du liebst mich – du bist ein Wolf, der erst die Wunden seiner Opfer leckt und sie dann doch zerreißt. Ich werde ein wenig traurig sein, wenn du stirbst, Fritz, wirklich, das werde ich. Aber mit traurigen Gedanken können wir Rußland nicht retten, sondern nur wenn es uns gelingt, euch zu vernichten, ihr Deutschen! Ich habe einen Auftrag, das mußt du verstehen, einen Auftrag von dem Genossen Stalin, der gesagt hat: ›Die ganze Rote Armee muß gerüstet sein für die entscheidenden Schlachten mit den faschistischen deutschen Okkupanten. Sie muß das Blut und die Tränen unserer Frauen und Kinder, Mütter und Väter, Brüder und Schwestern an den deutschen Eindringlingen erbarmungslos rächen!‹
Siehst du, Fritz, dazu hat er uns verpflichtet. Wo bleibt da noch Platz für deine Liebe? Auch ich blute durch eine Kugel aus einem deutschen Gewehr, auch ich habe geweint, als du über mich herfielst. Blut und Tränen, wir müssen sie rächen. Es gibt ein ewiges Rußland. Was bist du dagegen, Fritz …
Sie riß ein Zündholz an, hielt es an den Docht und ließ die Petroleumlampe aufleuchten. Vor Schmerzen stöhnend richtete sie sich auf, kam auf die Knie und begann, die Lampe zum Ufer hin zu schwenken, immer und immer wieder. Und sie schluchzte dabei und riß den Mund auf, saugte die Nachtluft ein und weinte laut. Es war nicht der Schmerz allein, der ihren Körper verbrannte.
Von der sowjetischen Seite antwortete ein kurzes Aufblitzen. Mehr nicht. Ein sekundenschneller Lichtschein. Schanna Iwanowna blies die Lampe aus, stellte sie neben sich und ließ sich wieder auf die Erde sinken.
Sie haben mich gesehen. Sie werden morgen kommen und mich holen. Sie wissen jetzt, daß es Schanna Iwanowna Babajewa noch gibt! Ihr lieben Freundinnen, laßt mich bei euch sterben …
Es war schon fast früher Morgen, als sie in die Scheune zurückkroch, auch jetzt wieder mit der Lampe zwischen den Zähnen. Dann lag sie wieder im Stroh unter den Decken und fror erbärmlich, obgleich ihr Körper glühte.
Gegen sieben Uhr kam Plötzerenke mit dem Frühstück: Tee, Kekse und Kunsthonig. Er setzte sich wie immer neben Schanna, küßte sie und grinste breit. Sie lächelte schwach. Dein Leben ist nur noch so kurz, dachte sie, und du weißt es nicht …
»Heute nacht … Doktor kommt«, sagte er und machte mit den Fingern die Bewegung einer Schere, als wollte er sagen: Er schneidet dich auf. Er hilft dir.
Sie nickte, aß einen Keks mit Honig und trank den Tee. Plötzerenke stützte ihren Kopf, so schwach war sie inzwischen.
»Er ist ein guter Arzt«, sagte Plötzerenke. »Doktor dobro … verstehst du … dobro … Scheiße! Ab morgen lerne ich Russisch, Schanna … Morgen Fieber weg … futsch! Nix aua …«
Schanna Iwanowna lächelte wieder. Eigentlich bist du ein guter Mensch, dachte sie. Aber du bist ein deutscher Faschist, und es gibt keine guten Deutschen, das haben wir gelernt.
Sie kaute mühsam den zweiten Keks, und Plötzerenke sah ihr mit glücksverklärten Augen zu.
Er ahnte nicht, daß Ugarow mit einem Scherenfernrohr sein Kommen beobachtet hatte, und daß man am anderen Ufer nun wußte, wo Schanna sich befand.
Die Lichtzeichen von deutscher Seite waren zuerst von dem Posten Wanda Alexandrowna gesehen worden. Über ihren Feldfernsprecher, der die gut ausgebaute Vorpostenstellung mit dem Hauptgraben verband, alarmierte sie sofort Soja Valentinowna Bajda, die sofort in ihre Uniform fuhr, Leutnant Ugarow aus der Bettstelle jagte und mit ihm zu dem Platz eilte, von dem aus man das
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