Frauenbataillon
Lichtschwenken beobachten konnte.
Hier standen mittlerweile schon zehn Rotarmistinnen beisammen und diskutierten, wer da drüben wohl Zeichen gab. Auch die Ärztin Galina Ruslanowna war aus ihrem Sanitätsbunker gekommen und blickte durch ein starkes Nachtglas hinüber zum deutschen Ufer.
»Kann man etwas sehen?« fragte die Bajda schwer atmend und nahm Galina das Glas ab.
»Zu wenig! Es ist eine Lampe, und sie wird nahe am Boden geschwenkt. Aber wer sie schwenkt, läßt sich beim besten Willen nicht erkennen!«
»Glaubt ihr, es ist Schanna?« Die Bajda hatte die Lampe nun im Blick. Das schwankende Licht glitt ab und zu über einen helleren Fleck, der wie eine Bluse aussah, wie Stoff. Dann ganz schnell ein Fleck, der noch heller war als der erste – das mußte der Kopf sein, das Gesicht. »Warum ist sie so dumm und hält die Lampe nicht vor ihr Gesicht?! Dann wüßten wir, wer hinter den Zeichen steckt.« Sie ließ das Glas sinken. »Es kann auch eine Falle sein, eine ganz einfache und gemeine Falle. Dem Strickmützenteufel sähe so etwas ähnlich. Er gibt uns Zeichen, wir setzen über den Fluß und laufen in ihr Feuer!«
»Und wenn es doch Schanna Iwanowna ist?« fragte Ugarow und beobachtete seinerseits durch das Fernglas das deutsche Ufer.
»Nach sechs Tagen?« Die Miene der Bajda wurde wieder hart wie kantiger Stein. »Wo war sie so lange?«
»In Gefangenschaft …«
»Unmöglich! Meine Mädchen überleben keinen einzigen Tag Gefangenschaft!«
»Weiß man, unter welchen Umständen Schanna in Gefangenschaft geraten ist?«
»Es gibt keinen einzigen Umstand, der mich daran hindern könnte, mich einem deutschen Verhör zu entziehen!« sagte Soja Valentinowna hart. »Nichts, Victor Iwanowitsch! Daß Schanna nach sechs Tagen Gefangenschaft noch lebt und Lichtzeichen gibt, halte ich für unmöglich. Das ist es, was mich stutzig macht!«
»Wir sollten wenigstens Antwort geben!« sagte Ugarow.
»Das können wir. Es schadet uns nicht. Wenn es eine Falle ist, dann hoffen sie jetzt, daß wir kommen!«
Ugarow knipste seine starke Taschenlampe an und leuchtete in den Nachthimmel, zählte bis drei und knipste die Lampe wieder aus. Kurz danach verlosch auch drüben das Licht.
»Sie hat uns verstanden!« sagte Ugarow geradezu glücklich.
Die Bajda sah ihn von der Seite an. »Für dich ist es Schanna, nicht wahr?«
»Es kann sehr gut sein.«
»Wer will sie holen? Ich lasse nur Freiwillige hinüber. Und nicht mehr als drei! Wir haben durch die Strickmütze genug Verluste gehabt!«
»Ich gehe!« sagte Marianka Stepanowna Dudowskaja. »Schanna ist meine beste Freundin.«
»Ich gehe auch!« Lida Iljanowna Selenko hob die Hand. »Ich … ich habe Mitleid mit ihr …«
»Schwäche verdient kein Mitleid!« Die Bajda fuhr sich mit beiden Händen durch die schwarzen Haare. »Was immer da drüben auch passiert ist: Wenn es wirklich Schanna ist, werden wir sie fragen müssen: Warum lebst du noch nach sechs Tagen faschistischer Gefangenschaft?! Es geht auch um eure Ehre, Genossinnen! Sie kam aus unserer Elite-Einheit! Vergeßt das nicht!« Sie blickte sich um. »Noch eine Freiwillige?«
»Ja. Ich!« Galina Ruslanowna hob die Hand. Die Bajda schüttelte energisch den Kopf.
»Abgelehnt. Dich brauchen wir noch genug, Galinanka! Bin froh, daß wir einen eigenen Arzt haben! Auch Stella bleibt hier! Wo ist sie überhaupt?«
»Sie schläft seit Tagen im Dorf und wartet auf ihren persönlichen Feind.« Ugarow hob die Schultern. Man hatte versucht, ihr das auszureden, aber seitdem sie den Strickmützenteufel hatte ans Ufer klettern sehen wie ein zufriedener, vom Bade erholter Schwimmer, lebte sie nur noch von der Hoffnung, ihm wieder gegenüberzustehen.
»Nicht glauben wollt ihr es!« sagte sie immer wieder. »Aber ich wußte es: Er kommt wieder! Und er wird auch diesmal wiederkommen, und dieses Mal entgeht er mir nicht. Bis dahin habe ich keine Ruhe …«
»Dann laßt sie, wo sie ist!« Die Bajda stieß sich von der Grabenwand ab und blickte jeder der Umstehenden ins Gesicht. »Überlegt es euch! Noch eine Freiwillige lasse ich zu. Aber bevor ihr Schanna zurückbringt, fragt sie, wie sie mit einem Deutschen über den Fluß gekommen ist! Weiß sie darauf keine Antwort, ist es für sie besser, sie bleibt drüben. Wo sie sich anscheinend wohler fühlt als bei uns!« Sie sah Marianka an, die sofort den Kopf senkte. »Es gibt allerdings auch noch eine andere Möglichkeit …«
Jeder wußte, was Soja Valentinowna damit meinte.
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