Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Sie war zu flach und zu kahl, als daß sie gefährlich werden konnte. Das sowjetische Ufer lag dunkel und ungreifbar in der Nacht. Weit weg, am Horizont, schimmerte fahle Helle in das Schwarz. Dort bei den sowjetischen Stäben und in den Nachschubbasen brannte ungeniert Licht. Wer sollte sie auch stören? Die deutsche Luftwaffe war froh, wenn sie ihre Maschinen behielt. Die Verluste bei den Luftschlachten über Deutschland, über dem Ärmelkanal und über England waren groß genug, die Bombenhagel hemmten den Nachschub.
    Stella Antonowna hatte sich, als sie bei voller Dunkelheit die Stelle erreichte, hinter dem ›Schildkrötenrücken‹ eine schmale, flache Mulde in die Sandbank gegraben. So, wie Seehunde und Pinguine sich in den Sand nibbeln und eine Liegekuhle schaben, hatte sie sich im Sand eingenistet.
    Die Sandbank erschien ihr als die geeignetste Stelle, von der aus sich ihr neues Gewehr ausprobieren ließ. Nicht weit von hier hatte Sibirzew die beiden Schwimmer überrascht; nun mochten die Deutschen denken, daß in dieser Nacht kein Russe mehr am gleichen Ort auftauchen würde. Das machte sie vielleicht in diesem Abschnitt etwas sorgloser.
    Die gleichen Gedanken wie bei Hesslich! Ein Schicksalsband begann sie untrennbar zu verbinden.
    Noch sahen sie einander nicht … Hesslich lag außerhalb des Sandstrandes, Stella flach in ihrer Sandkuhle. Nur der Gewehrlauf ragte wie ein dünner Strich über den ›Schildkrötenrücken‹ hinweg. Das neue lichtstarke Nachtzielfernrohr war gegen den dunklen Hintergrund bereits unsichtbar. Es war Stellas großer Vorteil: Mit seiner Hilfe sah und erkannte sie mehr von dem, was auf deutscher Seite vorging, als Hesslich und Dallmann mit ihren normalen Gläsern auf russischer Seite beobachten konnten.
    Oberst Starostin hatte keine übertrieben lauten Loblieder gesungen. Alles was er an Positivem über das neue Gewehr gesagt hatte, stimmte, die Tokarev SVT gab es schon seit 1940. Sie war eine Weiterentwicklung der SVT 1938, eines Gewehrs, das sich in der Armee nie richtig hatte durchsetzen können, da der hinten verriegelte Verschlußblock sich als anfällig erwies. Sandkörner, Eisstückchen oder andere Fremdkörper führten oft zu Ladehemmungen, weshalb die beliebtesten Gewehre nach wie vor die gute alte Moisin-Nagant 1891/30 und der Karabiner M 1938 waren.
    Das hatte den Tokarev-Konstrukteuren natürlich keine Ruhe gelassen, und so kamen sie mit einer Waffe heraus, die eigentlich alles besaß, was man sich wünschen konnte: Präzision und doch Robustheit, wie man sie in Rußland braucht, Feuerkraft und Gasladung, eine gewaltige Durchschlagskraft und als Krönung ein Zielfernrohr, in dem Stella heute, in dieser dunklen Nacht, das deutsche Ufer erblickte, als läge es in einem indirekten, milden Lichtschein.
    Stella tastete mit dem Fernrohr den sandigen Uferhang ab. Die Deutschen waren in der Nähe: In verschiedenen Ruinen bemerkte sie winzige Lichtreflexe, die durch Ritzen nach außen drangen. Um Genaueres zu erkennen, war die Entfernung zu groß. Aber wie ein Jäger, der weiß, daß nur Geduld den Erfolg herbeilockt, der genau errechnet hat, daß das Wild auf einer ganz bestimmten Fährte herankommen wird, wartete Stella geduldig und ruhig auf einen günstigen Augenblick. Die Schrecklichkeit dieses Lauerns, das Teuflische dieses Todes aus dem Dunkel, die Kaltblütigkeit des Mordens aus dem Hinterhalt berührte sie nicht. Es war Krieg, gegenüber lag der Feind – und nur der zählte bei allen Überlegungen.
    Was hatte Ugarow beim letzten Schulungsabend erzählt und mit Dokumenten bewiesen? Im Gebiet südlich von Borissow, wo große Partisanenverbände operierten und die deutschen Nachschublinien sabotierten – eine ehrenwerte, tapfere Aufgabe, denn der Kampf galt ja der Befreiung der Heimat von den Faschisten –, dort hatte man eine Gruppe von 134 Tapferen gefangen. Männer und Frauen, sogar Kinder waren darunter. In einem Waldlager wurden sie überrascht, wo sie unter der Erde in Höhlen lebten. Und dann kam die SS, eine Einsatzgruppe des SD, und die Männer wurden aufgehängt und neben ihnen die Frauen. Und den Kindern schlug man die kleinen Köpfchen ein. Nicht eines blieb am Leben. So hatte es Leutnant Ugarow mit bebender Stimme vorgetragen und hinterher ein Gedicht aufgesagt: In Kinderaugen spiegelt sich das Bild der Mutter …
    Sie hatten alle geweint und erneut stieg ihnen der Haß in die Seele. Nein, hier zu liegen und auf Deutsche zu lauern, das war kein kalter

Weitere Kostenlose Bücher