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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Augen, als es wieder krachte und der Sand vor ihr aufspritzte. Dreimal … viermal … fünfmal … Magazinwechsel … sechsmal … siebenmal …
    Er ist irr geworden, dachte sie bebend. Er sieht nichts, und er schießt doch … Sie kroch die Sandbank hinunter, hob das Gewehr hoch über den Kopf und watete, bis zu den Schultern im Wasser, durch den seichten Fluß zurück zum rettenden Ufer. Die Sandbank gab ihr Deckung, in einem toten Winkel ging sie an Land, rannte dort durch die schwarze Nacht und warf sich in einer der ersten Ruinen des Dorfes auf den Boden. Die Tokarev drückte sie zwischen ihre Brüste.
    Hesslich schoß und schoß. Ihm war jetzt völlig gleichgültig, daß er damit selbst ein Ziel bot. Er rollte sich hin und her und feuerte auf die Sandbank, sobald er in einer neuen Position lag. Vom Dorf her sah er jetzt mehrere Schatten auf sich zu rennen. Sie fielen auf die Erde und erreichten ihn, als er gerade den siebten Schuß abfeuerte.
    »Bist du verrückt?« schrie der Unteroffizier der Pioniere, als er sich neben Hesslich fallen ließ. »Was ist denn los?«
    »Sie hat Dallmann erschossen!« brüllte Hesslich und wirkte tatsächlich wie ein Wahnsinniger. »Sie muß da drüben auf der Sandbank liegen! Leuchtkugeln! Habt ihr Leuchtkugeln da? Hoch damit! Dann kriegen wir sie! Sie kann nicht zurück, wenn es hell ist! Ihr Arschlöcher, wo sind die Leuchtkugeln?!«
    Zwei Kugeln zischten in den Himmel, tauchten den Donez und beide Ufer in strahlende, kalte Helle und schwebten an kleinen Fallschirmen langsam mit dem Wind davon. Alle schossen nun konzentriert auf die Sandbank. Es waren fünfzehn Mann, der Schildkrötenrücken wurde zerfetzt, zerspritzte zu Sandfontänen. Als die dritte Leuchtkugel hochzischte, warf sich Hesslich in den Fluß und schwamm mit kräftigen Stößen hinüber. Sein Gauleiter hätte bei diesem Anblick gejubelt: Endlich setzte der faule Kerl, der sportlich eine solche Kanone war, sein Können für das Vaterland ein!
    Wie ein Raubtier warf Hesslich sich auf die Sandbank und rollte über sie hinweg. Der andere Teil der Einzelkämpferausbildung kam zum Tragen: Mit dem zweischneidigen Messer in der Faust griff er an. Um ihn herum spritzte der Sand – Feuerschutz für ihn von den Kameraden.
    Mit mahlenden Kieferknochen fand Hesslich zweierlei: die Mulde, in der Stella Antonowna gelegen hatte, und die Patronenhülse, aus der Dallmanns Tod gekommen war. Er steckte sie ein, legte sich mit seiner nassen Uniform in die Mulde auf den Rücken und starrte in den von der davon schwebenden Leuchtkugel aufgerissenen Nachthimmel.
    Ich schwöre dir, du Weibsstück, dachte Hesslich, daß ich nicht weiterleben will, wenn ich dich nicht erwische! Gott im Himmel, hör mich an: Ich muß sie töten! Ich muß!
    Noch immer lag er in der Mulde, in der Stella gelegen hatte, und es war, als flösse ein unsichtbarer, geheimnisvoller Strom von ihr in ihn über. Es war ihm, als lade ihn die Berührung mit der Stelle, auf der ihr Körper gelegen hatte, mit einer neuen, fremden, unerhörten Energie auf, wie sie sonst nur im Weltraum zu finden sein mochte.
    Drüben schossen sie jetzt nicht mehr. Sie konnten Hesslich nicht mehr sehen und waren ratlos. Erst als er sich aufrichtete, aufrecht über die Sandbank kam, ins Wasser watete und zurückschwamm, wußte man, daß die Aktion vergeblich gewesen war.
    »Nichts!« sagte Hesslich, als er aus dem Wasser stieg. »Sie war schon weg!« Er ging langsam zu Dallmann, den noch niemand berührt hatte und der noch immer so dalag, wie er gestorben war, und kniete sich neben ihn. Das Wasser aus seinen Haaren und seiner Uniform lief über Dallmanns Brust, als er sich über ihn beugte und ihn lange ansah.
    Der Schuß genau in die Stirn, oberhalb der Nasenwurzel, war fast selbstverständlich. Dallmanns Augen zeigten grenzenloses Erstaunen, waren stehengeblieben wie eine Uhr, die plötzlich in der Sekunde verharrt. Am Handballen klebte noch etwas zerdrückte und aufgeweichte Schokolade. In den Mundwinkeln lag noch das jungenhafte Lachen – das Leben hing noch an ihm, so schnell war der Tod gekommen.
    Hesslich ergriff Uwe Dallmanns Hand und drehte sie um. Es war unerträglich, die Schokolade an seinen Fingern kleben zu sehen. Ich kann nie wieder Schokolade essen, dachte Hesslich. Ich werde sie nicht riechen können. Ich müßte kotzen, sofort kotzen …
    Ganz sanft drückte er Dallmanns Augen zu und erhob sich.
    Auf einem Handkarren der Pioniere kehrte Uwe Dallmann zur 4. Kompanie

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