Frauenbataillon
schon gar nicht huschenderweise und sorgfältig darauf bedacht, nicht gesehen zu werden –, konnte Sibirzew mit Recht darauf verweisen, daß es seine Pflicht sei, auf eine solch verdächtige Gestalt sofort zu schießen.
In der Tiefe seines Herzens war Sibirzew jedoch schwer getroffen. Vor allem, als Leutnant Ugarow ihm mitteilen ließ, daß auch Kaninchen im Dorf seien und herumhuschten und daß er doch bei dem Haus mit den blauen Fensterläden bitte aufpassen solle, denn dort befände sich ein Stall mit zwei Schweinen, die geheime Sonderration der Abteilung Bajda, noch von dem guten Miranski organisiert.
Sibirzew knirschte mit den Zähnen, verwünschte laut den Deutschen mit der Mütze, der sie alle narrte, und verschwand wieder im Gelände.
Am anderen Flußufer, auf der deutschen Seite, hatte eine auffällige Unruhe begonnen. Das Grabensystem füllte sich mit neuen Truppen. In langen Güterzügen und Lastwagenkolonnen rollte Nachschub heran, Panzer sammelten sich, und die sowjetischen Aufklärer, die ›Nähmaschinen‹, wurden jetzt von Flak beschossen und stellten ihre Flüge ein, nachdem drei von ihnen in der Luft zerplatzt waren. Man wußte auch ohne sie genug: Die deutsche Offensive stand unmittelbar bevor. Die tiefgestaffelten sowjetischen Stellungen wurden noch einmal kontrolliert und mit Reserven besetzt, die Panzerbrigaden hielten sich weiterhin versteckt, die Artillerie richtete sich auf einen Feuerschlag ein. Weit hinten in der Steppe, für deutsche Geschütze unerreichbar, stand zwischen dem Fluß Oskol und dem Städtchen Korotscha das Gros der Eingreifdivisionen, die General Konjew solange wie möglich schonen wollte. Die Taktik der Deutschen war ja längst bekannt: Vom Norden sollte die deutsche 9. Armee und vom Süden die deutsche 4. Panzer-Armee und die Armee-Abteilung Kempf in breiten Keilen auf Kursk vorstoßen, auf diese Weise den Kursker Bogen bereinigen und die weiter westlich stehenden sowjetischen Armeen abschneiden, einkesseln und vernichten.
Fassungslos blickten die sowjetischen Heerführer auf diesen deutschen Wahnsinnsplan. Gelang der Durchbruch, so wären abgeschnitten gewesen: die 70. Armee, die 65. Armee, die 60. Armee, die 38. Armee, die 40. Armee und die 27. Armee. Auf der anderen Seite des Keils würden stehen: Die sowjetische 2. Panzer-Armee, die 13. Armee, die 1. Panzer-Armee, die 6. Garde-Armee, die 5. Garde-Panzer-Armee, die 53. Armee, die 69. Armee, die 7. Garde-Armee und alle rückwärtigen Reserven.
Auch schwachen Kopfrechnern müssen hier Zweifel kommen: Drei deutsche Armeen sollten gegen vierzehn sowjetische Armeen und ihre Reserven kämpfen. Wer so etwas befiehlt, muß alle Maßstäbe verloren haben. Im obersten Generalstab im Kreml, wo man durch die Schweizer Spionageorganisation ›Luzy‹ genauestens informiert war, herrschte Sprachlosigkeit. Das war kein Heldentum mehr, das war Wahnsinn.
»Laß sie nur kommen!« sagte der Befehlshaber der Zentralfront, Generaloberst Rokossowskij, der zur Berichterstattung nach Moskau gekommen war. »Es hat sich noch keiner hundert Werst durch einen Felsen gefressen!«
Die Zeit der Furcht vor deutschen Angriffen war vorbei. Stalingrad hatte die Deutschen ins Herz getroffen. Sie bluteten aus, ohne es zu begreifen. Die 9. Armee unter Generaloberst Model lag startbereit in ihren Gräben – lächerliche 3 Panzerkorps mit 6 Panzer-, 2 Panzergrenadier- und 7 Infanteriedivisionen als Stoßkeilen! Im Süden wartete die 4. Panzer-Armee unter Generaloberst Hoth auf das große Zeichen – mit 2 Panzerkorps, von denen eins ein SS-Panzer-Korps war, und einer einzigen Infanteriedivision als Sturmtruppe! Weiter südlich im Raume Charkow standen 3 Panzer- und 3 Infanteriedivisionen der Armee-Abteilung Kempf in den Löchern. Ihr großes Ziel: Durchbruch auf der Donezfront Woltschansk – Bjelgorod und Vorstoß auf Korotscha.
Das bedeutete: Mitten hinein in die sowjetische 7. Garde-Armee und gegen die versteckten russischen Reserven westlich des Oskol.
Der deutsche Angriff würde also mit aller Wucht zunächst genau die Abteilung Bajda treffen. General Kitajew, dem die Kontrolle der Frauenbataillone oblag, sah keine Möglichkeit, daran etwas zu ändern. Hier war jeder nur Soldat, sonst nichts. Jeder verteidigte die Heimat, darauf allein kam es an und nicht auf das Geschlecht! Alle, die eine sowjetische Uniform trugen, hatten nur eine Aufgabe: Haltet die Faschisten auf! Vernichtet sie! Jagt sie hinaus aus unserem Rußland …
Während Stella
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