Frauenbataillon
Antonowna im Wald lag und darauf wartete, daß Gott ihren Wunsch erhören möge, rollten noch einmal neues Material und Berge von Munition in die vorderen Gräben. Maschinengewehre, Granat- und Minenwerfer wurden verstärkt, leichte Pak und Flak fuhr im Kusselgelände der Steppe auf, die Panzerbrigaden schwärmten aus, die mittlere und schwere Artillerie wurde von Munition fast erdrückt. 3,1 Millionen Sowjetsoldaten aller Truppenteile standen bereit, die deutsche Sommeroffensive aufzufangen.
Die deutsche Heeresführung wußte von alledem nichts oder nur sehr wenig. Nur einer warnte immer wieder, aber der galt bei Hitler sowieso als Querulant – Admiral Canaris. Seine Geheimdienstinformationen wurden vom Tisch gewischt und als Idiotenpapiere bezeichnet. Darüber hinaus galt ja immer noch ein Ausspruch Hitlers, demzufolge ein Deutscher es mit zehn Russen aufnehmen könne.
Die Schlacht von Kursk, das ›Unternehmen Zitadelle‹, konnte beginnen.
Das letzte große militärische Abenteuer des Rußlandkrieges. Das blutige Spiel um alles oder nichts.
Peter Hesslich schlich im Wald herum und fragte sich, ob es Sinn hatte, noch weiter zu warten. Die Fährte, die er ausgelegt hatte, schien nicht in der Weise aufgenommen worden zu sein, wie er gehofft hatte. Er überlegte, ob er zum Zeichen seiner Gegenwart nicht noch einmal eine Reihe von Soldatinnen und Soldaten erschießen sollte, verwarf diesen Gedanken aber wieder, erschrocken über die Kälte, mit der er ans Töten dachte. Sie tun ja nichts anderes, beruhigte er sich. Gerade diese Frauen sind zum Töten erzogen worden, sie sind stolz darauf, Kopfschüsse in ihr Trefferbuch eintragen zu können, sie sind die fanatischsten und erbarmungslosesten Kämpfer der Roten Armee und nur von einem einzigen Gedanken beseelt: Tod dem Feind!
Er lag wieder in seinem Versteck, genoß die würzige Waldluft und die Stille, beobachtete Käfer, die durch den Gräserwald krochen, und eine kleine, braune Spinne, die ein wundervolles Netz zwischen zwei Zweigen spannte. Sogar einen Fasan entdeckte er, der würdevoll daherschritt, stehenblieb, ihn ohne Scheu beäugte, und dann hinaus in die freie Steppe trippelte. Es war alles so friedlich, daß der Gedanke an die über 6.000 Panzer, die hier zur größten Panzerschlacht der Kriegsgeschichte aufmarschiert waren, vollkommen abwegig erschien.
Am Abend hatte Peter Hesslich den Entschluß gefaßt, den Wald in der kommenden Nacht zu verlassen und zum Donez zurückzukehren. Seine Rechnung war nicht aufgegangen. Gut denn, sagte er sich. Ziehen wir uns zurück. Hoffen wir wieder darauf, daß uns der Zufall dieses Satansweib vor die Flinte treibt. Ich hätte geschworen, daß wir uns begegnen …
Er wartete die Dämmerung ab und verließ sein Versteck, als das Abendrot sich über Steppe und Wald ausbreitete und das Land vergoldete. Das Gewehr schußbereit unter dem Arm, schlich er den Waldrand entlang, um das Kusselgelände vor sich zu erreichen, hinter dem sich eine flache Steppenlandschaft bis zu den hintersten Gräben der vorderen Linie erstreckte. Wie immer hatte er die graue Strickmütze weit über die Stirn bis zu den Brauen herabgezogen und sein Gesicht mit nasser Erde eingerieben. Lautlos huschte er vorwärts, kam an eine Buschgruppe und entschloß sich, dieselbe zu umgehen. Aber als er seinem Körper einen kräftigen Schwung gab, um sich notfalls blitzschnell fortschnellen zu können, prallte er mit einem Menschen zusammen, der ihm, ebenfalls lautlos und völlig ahnungslos, von der anderen Seite des Gebüschs her entgegenkam.
Nahezu ohne Schrecksekunde fuhren seine Hände sofort bei dem Aufprall vor und umklammerten den Hals des anderen. Aber auch sein Gegenüber zögerte nicht – wie Krallen fuhren seine Finger Hesslich ins Gesicht und zerkratzten beide Wangen, während gleichzeitig ein Knie versuchte, ihn zwischen die Beine zu treffen, doch prallte der Stoß am Gewehrkolben ab.
Ein heißer Schlag durchzuckte Peter Hesslich, und Stella Antonowna spürte, wie ihr Atem stockte. Sie ließen voneinander ab, taumelten einen Schritt zurück und umklammerten ihre Gewehre. Zum Schießen war der Zwischenraum zu eng, weshalb sie, beide vom gleichen Gedanken erfaßt, das Gewehr umdrehten und mit den Kolben aufeinander losgingen.
Stellas Schlag krachte gegen Hesslichs Kolben und glitt ab. Bevor sie die Waffe noch einmal hochschwingen konnte, schlug ihr Gegner zu. Um ihr nicht den Schädel zu zertrümmern, hieb er nur mit halber Kraft auf ihre
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