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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Plötzerenke getötet hatte. Und trotzdem hatte er, Ursbach, sie geküßt. Zurückblickend betrachtete er es als eine Wahnsinnstat und entschuldigte sich damit, daß er durch den Überfall der Frauen einen Schock erlitten haben mußte. Eine andere Erklärung fand er nicht – obwohl er oft noch an Lida Iljanowna dachte.
    »Ja. Unsere Teufelsweibchen! Sitzen in den Dorfruinen und knipsen alles ab, was sich bei uns bewegt! Wie sagte der alte Ben Akiba: Alles wiederholt sich! Das ist ja fast schon ein vertrautes Familienspiel! Wer hat zuerst ein Löchlein im Köpfchen?«
    »Und wo ist Hesslich?«
    »Bereits unterwegs!« Bauer III grinste matt. »Kaum hörte er, da drüben sind die Heldentitten – da ist er auch schon ab durch die Mitte! Mit einem Brotbeutel voll Munition, 'nem halben Dutzend Handgranaten und seinem Dolch! Da ist er nicht zu halten! Benimmt sich wie ein Hengst, der die rossige Stute wittert.« Er sah Ursbach an. »Sie wollen wirklich noch raus?«
    »Ich muß.«
    »Mit Ihren Leuchtkugeln vermasseln Sie Hesslich die ganze Tour. Stellen Sie sich vor, sie erleuchten das Gelände und mitten drin, in einem Gärtchen, liegt Hesslich. Frei zum Abschuß wie ein Pappkamerad!«
    »Wie viele vermissen Sie noch, Franz?« fragte Ursbach ruhig.
    »Von meiner Kompanie drei Mann …«
    »Bei den Spähtrupps der Panzer ist eine Besatzung noch nicht zurückgekommen. Sie sitzt entweder noch im Kasten oder liegt tot oder verwundet daneben. Keiner kommt an sie heran. Nur ich habe freie Fahrt …«
    »Mit weißer Fahne und Rot-Kreuz-Binden?«
    »Ja. Und deshalb ziehe ich gleich los.«
    »Und Hesslich, der einsame Jäger?«
    »Soll seinen Arsch herunterdrücken, wenn die Leuchtkugel hochgeht. Er ist ja kein grüner Junge …«
    Nachdem Ursbach die beiden Kartons ausgepackt und das Material gesichtet und geordnet hatte, verabschiedete er sich von Bauer III, entrollte die Rot-Kreuz-Fahne und marschierte mit seinen drei Sanitätern aufrecht ins Niemandsland. Sie schleppten zwei Klapptragen zwischen sich und hatten auf die Rücken breite Tragriemen geschnallt.
    Am Ausgang der Stellung, beim letzten Posten, trafen sie den wartenden Stattstetten. Er hatte seinen weißen Kopfverband gegen ein unscheinbares Pflaster ausgetauscht.
    »Nimmst du mich mit?« fragte er. Ursbach blieb verblüfft stehen. »Ich kann auch einen Kameraden wegtragen …«
    »Ich habe keine Rot-Kreuz-Binde mehr, Lorenz.«
    »Wenn ich bei euch bin … Ich muß heute was tun, verstehst du, ich kann nicht die ganze Nacht über untätig herumhocken. Ich kann jetzt nicht allein sein, ich brauche euch, die Kameraden … Ich muß mithelfen, suchen, schleppen, verbinden, alles, was so anfällt, alles, was mich davon abhält, an Olga zu denken. Verstehst du das?«
    »Komm mit!« Ursbach nickte. »Aber es wäre besser gewesen, du hättest deinen Verband behalten. Da weiß dann gleich jeder, daß du außer Gefecht bist …«
    Sie gingen, die weiße Fahne hoch emporgehoben, weiter, bis sie glaubten, mitten im Niemandsland zu sein. Um sie herum waren die Trümmer von zwei Bauernhäusern, den dazugehörigen Scheunen und einer Schmiede. Und irgendwo in dieser Ruinenlandschaft ertönten jetzt Stimmen, dann Jammern, Stöhnen, dumpfe Schreie, langgezogenes Wimmern.
    Ursbach schoß die erste Leuchtkugel ab. Gleißende Helle breitete sich aus, hing an einem Fallschirm unter dem schwarzen Nachthimmel und schwebte träge über die Ruinen. Geblendet blieben sie stehen und blinzelten. Vor ihnen war ein Garten, in dem unter zerfetzten Birn- und Kirschbäumen Gemüse schoß und Kartoffelkraut blühte. Und vor ihnen standen drei Mädchen des Frauenbataillons in erdbraunen Uniformen. Als die Leuchtkugel hochzischte, hatten sie sich blitzschnell aufgerichtet. Sie ließen einen dunklen Gegenstand fallen, und dieser Gegenstand begann nun laut zu wimmern.
    Ursbach schwenkte die Fahne. Die Sanitäter stellten sich mit ihren Tragen an seine Seite. Auch Stattstetten reihte sich ein, die Hände auf dem Rücken.
    Mit weiten Augen starrte Lida Iljanowna Ursbach an. Sie stand hinter Galina Ruslanowna, die jetzt die Hände aneinanderrieb und schwer atmete. Hinter ihnen lauerte Maja Semjonowna, die Jüngste der Abteilung, die heute als Hilfssani dabei war. Die Abteilung, zu der noch vor kurzem 239 mutige Mädchen zählten, war auf 87 Genossinnen zusammengeschrumpft, die jetzt von Stella Antonowna geführt wurden. Bald sollte sie zum Leutnant befördert werden und würde dann offiziell mit der Leitung

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