Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
lachte rauh. »Selbst sein Bart ist ganz ausgebleicht!« Er riß Ursbach vom Boden, spuckte ihm ins Gesicht und schrie: »Du kommst mit, Brüderchen! Du wirst bestätigen beim Genossen Leutnant, daß dein Rad kriegswichtig ist. Und daß wir freundlich zu dir waren, du Wanzenknacker! Los, voran!«
    Das »Dawai! Dawai!« verstand Ursbach. Er hatte immer gehofft, dieses Wort nie wehrlos hören zu müssen. Nun war es soweit. Es gab keine Flucht mehr.
    Vier Stunden später brachte ein Jeep, einer aus den amerikanischen Hilfslieferungen, die jetzt in vollem Gange waren, den deutschen Unterarzt Helge Ursbach zum Kommandeur eines sowjetischen Infanterieregimentes. Der Oberst, ein älterer Mann, empfing Ursbach höflich und mit militärischem Gruß. Er sprach sogar ein gutes Deutsch.
    »Sie sind Arzt?« fragte er und bot ihm einen Platz und eine Papirossa an. »Auf der Flucht zurück zu Ihrer Truppe? Stimmt das? Wie lange schon?«
    »Drei Wochen.« Ursbach rauchte mit tiefen Lungenzügen, obwohl der Tabak brannte wie Säure. »Seit dem 13. Juli.«
    »Und keiner hat gemerkt, daß Sie Deutscher sind?«
    »Anscheinend ist meine Kleidung so etwas ähnliches wie eine Uniform für Zivilisten. Vor allem die Mütze. Wer mich sah, hat mich freundlich gegrüßt.«
    »Daran werden Sie sich erinnern müssen, Doktor«, sagte der Oberst gedehnt und blickte Ursbach lange an. »Dort, wohin Sie jetzt kommen werden, gibt es keine Höflichkeit mehr.«
    Unaufhaltsam trieben die sowjetischen Armeen die ausgelaugten, vom Nachschub abgeschnittenen, von Munitionsmangel geplagten deutschen Regimenter vor sich her.
    Die Tiger und Panther hatten keinen Sprit mehr und blieben als hilflose Stahlungetüme in der Steppe zurück, die Infanterie verteidigte zwar Meter um Meter den Boden, aber was konnte sie ausrichten gegen die Wellen der T-34-Panzer? Die sowjetische Artillerie mit ihren Tausenden von Geschützen hämmerte alles zusammen. Im Direktbeschuß zielten Pak und leichte Flak jetzt sogar auf einzelne Menschen, und die Rotarmisten folgten den Panzern und stürmten die sich verzweifelt wehrenden deutschen Stützpunkte.
    General Konjews Hauptstoß traf genau in die Nahtstelle zwischen der deutschen 4. Panzer-Armee und der 8. Armee, wie man die Armee-Abteilung Kempf umbenannt hatte. Drei sowjetische Armeen, voll aufgefüllt durch Reserven aus der Don-Steppe, brachen hier durch und rissen eine Lücke von 55 Kilometern zwischen die beiden deutschen Armeen. Ein Korridor, durch den man mit massiven Kräften nach Charkow einschwenken konnte.
    Aber die Taktik der Sowjets beschränkte sich nicht nur auf Durchbrüche. Auf breiter Front griffen sie an, um eine Schwerpunktbildung bei den deutschen Truppen zu vermeiden und an allen Abschnitten die Deutschen aufzureiben. Das kostete Menschenleben, das verschlang Material, das machte die weitgefächerte Offensive zu einem Blutbad – aber die Ziele wurden erreicht! Das allein galt im Kreml. Wie unwichtig ist der Mensch, wenn es um Rußland geht. Dem Volk diese Einsicht beizubringen, hatte man über Jahrhunderte geübt.
    Oberst Schementschuk war gefallen. Ein sinnloser Tod: Er besichtigte einen liegengebliebenen Tiger-Panzer, und als er in den Turm kletterte, explodierte innen eine präparierte Sprengladung, die zündete, wenn man den Kommandantensitz betrat. Der Oberst wurde in Stücken aus dem Tiger geholt.
    Stella Antonowna war zum Leutnant ernannt worden. Es war die letzte dienstliche Handlung von Schementschuk. Er überreichte Stella die Urkunde, hielt eine kurze Rede, sie küßte die rote Fahne, er küßte sie auf beide Wangen. Es war alles ziemlich feierlich, obwohl Schementschuk, der anscheinend ein Frauenhasser war, im Offizierskreis verlauten ließ, er begreife nicht, warum bei den Weibern ein solcher Wirbel veranstaltet werde. Nun ja, Stella Antonowna hatte mittlerweile 329 anerkannte Abschüsse in ihrem Trefferbuch vermerkt, und ihre Ernennung zur ›Heldin der Sowjetunion‹ war nur eine Frage der Zeit. Der Antrag lag bereits im Oberkommando, Stalin brauchte ihn nur zu unterschreiben. Aber schließlich hatte sie als Scharfschützin nur ihre Pflicht getan, und davon brauchte man nicht viel Aufhebens zu machen.
    Bis aus Moskau ein neuer Vorgesetzter kam, übernahm Stella nun allein die Gruppe Bajda des Frauenbataillons. Als der Sturm auf Charkow begann, als die 7. Garde-Armee aus dem Raum Bjelgorod heraus in drei Keilen vorrückte und General Konjew in einem Tagesbefehl verkündete, man werde nun nicht

Weitere Kostenlose Bücher