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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einer Schreibstube saß, notgedrungen. Denn bei einem Rückzugsgefecht gibt es keinen zurückliegenden Kompanietrupp mehr. Dann kam von Bellinghoven zu Peter Hesslich in den Granattrichter, den dieser sich für die Nacht ausgesucht hatte.
    »Die da drüben sind ein zäher Verein!« sagte der Oberleutnant und nahm seinen Stahlhelm ab. »Ich schätze ihre Verluste auf das Fünffache der unseren. Und trotzdem greifen sie weiter an!«
    »Haben Sie erkannt, was da von drüben kommt?« fragte Hesslich. »Übrigens – nehmen Sie den Kopf runter, Herr Oberleutnant!«
    »Wieso denn?« Bellinghoven sah Hesslich erstaunt an. »Die liegen bestimmt zweihundert Meter von uns entfernt.«
    »Das genügt.«
    »Sie sehen Gespenster. Treffer auf zweihundert Meter! Sind wir im Zirkus bei den Kunstschützen?«
    »Genau da sind wir!«
    »Spinnen Sie?«
    »Sie wissen also nicht, wen wir gegenüber haben? Mädchen! Die Gruppe eines Frauenbataillons. Ich befürchte sogar, es ist die Abteilung Bajda.«
    »Ein Frauenbataillon?« Der Oberleutnant starrte Hesslich entgeistert an. »Das gibt es wirklich? Das ist keiner von unseren Propagandatricks?«
    »Hat man Ihnen das beim Bataillon nicht gesagt?«
    »Ich bin doch sofort mit dem Kübelwagen zu euch. Hesslich, das gibt es doch nicht. Mädchen im Sturmangriff! Was wir da den ganzen Tag über beschossen haben – die Toten da drüben – alles Mädchen?«
    »Ja.«
    »Seit wann habt ihr's mit denen zu tun?«
    »Seit März. Es ist, als klebten sie an uns! Was wir bisher an Verlusten hatten, kommt zum größten Teil auf ihr Konto. Die 4. Kompanie ist seit März dreimal aufgefüllt worden! Am schlimmsten war's am Brückenkopf von Melechowo.«
    »Und das lassen wir uns von diesen Weibern gefallen? Wir gehen vor einem Rock in Deckung?«
    »Probieren Sie es bloß nicht mit Heldentum, Herr Oberleutnant!« Hesslich zeigte mit dem Daumen nach oben zum Trichterrand. »Die schießen auf zweihundert Meter einer Katze die Schwanzspitze ab.«
    »Ich habe nicht die Absicht, meinen Schwanz hinzuhalten«, sagte von Bellinghoven trocken. »Aber morgen zeige ich den Weibern, was eine Harke ist!«
    Es kam nicht dazu. Am frühen Morgen trommelte die sowjetische Artillerie, die in der Nacht vorgerückt war. Neue Panzerwellen rollten heran. Die deutsche Front ging weiter zurück. Auch die 4. Kompanie mußte weichen, es war sinnlos, gegen diese Massierung standzuhalten. Von den Mädchen sah man nichts mehr, sie hockten auf der dritten Panzerwelle, eingehüllt von haushohen Staubwolken.
    Charkow. Vorwärts nach Charkow! Konjew wartete darauf, unter dem Jubel der in den Kellern ausharrenden Bevölkerung zurückzukehren in diese schöne alte Stadt.
    Oberleutnant von Bellinghoven fiel am 10. August 1943 bei dem Dorf Mulnow. Er hatte mit vier Mann ein Wäldchen aus niedrigen Birken erreicht, als er plötzlich zwei Mädchen gegenüberstand. Wie aus dem Boden gewachsen, waren sie plötzlich da und rissen die Gewehre hoch. Noch bevor Bellinghoven reagieren konnte, feuerten Lida Iljanowna und die kleine Maja. Es klang wie ein Schuß. Ein feuriger Hieb ließ Bellinghovens Kopf zerplatzen. In der Sekunde seines Sterbens nahm er noch mit, daß die Mädchen keine Helme trugen, sondern nur ihre Schiffchen, unter denen die Haare hervorquollen.
    Die beiden anderen Deutschen hoben sofort die Arme hoch, als sie ihren Oberleutnant fallen sahen. Sie begriffen nicht, daß hier andere Gesetze herrschten. Blitzschnell erfolgten die beiden nächsten Schüsse aus den neuen selbstladenden Tokarev-Gewehren und zerschmetterten ihnen die Stirnen, genau zwischen den Augen.
    Die Mädchen sahen sich lauernd um, aber es kamen keine Deutschen mehr. Dann umarmten sie sich und verschwanden im Wald. Es war der 268. Abschuß von Lida Iljanowna und der 121. der kleinen Maja.
    Die 7. Garde-Armee riß die Lücke zwischen der deutschen 4. Panzer-Armee und der 8. Armee immer weiter auf. Östlich der Bahnlinie Kursk-Charkow flutete sie in die Steppe und trieb die Deutschen vor sich her. Die ganze Heeresgruppe Süd des Feldmarschalls von Manstein befand sich nun auf dem Rückzug, halbwegs geordnet, im Gegensatz zur Heeresgruppe Mitte, wo die 9. Armee und die 2. Panzer-Armee vernichtend geschlagen wurden. Sie hatten Orel verloren und suchten nun ihr Heil im schnellen Zurückweichen auf die seit Jahren als unüberwindbar erklärte, gutausgebaute ›Hagenlinie‹, einen Bunkerwall vor Brjansk.
    Am 11. August wurde Peter Hesslich von einem Granatsplitter getroffen.

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