Frauenbataillon
mehr ruhen, bis man die rote Fahne siegreich durch die Stadt tragen würde, war auch die Gruppe Bajda voll im Infanterieeinsatz. Sie saß auf den Panzern, fuhr mit ihnen hinein in die deutschen Truppen und stürmte die MG-Löcher, die schnell ausgehobenen Gräben und Igelstellungen und säuberte das zurückgewonnene Gebiet von den umherziehenden, versprengten deutschen Trupps.
Eine grausame Schlacht war es, vor allem dort, wo die Mädchen auftauchten. Ihre Schüsse trafen fast immer; für keinen deutschen Soldaten gab es ein Entrinnen, wenn er in ihr Blickfeld geriet.
Charkow wurde geräumt. Fronttheater und Kabaretts, Opern- und Schauspielensembles, die aufgeblähten Wehrmachtsverwaltungen und Intendanturen, die Lazarette und Lager wurden zurückgeführt nach Poltawa oder sogar bis nach Kiew. Die Sauf-, Freß- und Hurenseligkeit zerplatzte, und über Straßen und Plätze, die bis vor kurzem noch von gutgenährten Etappenkriegern bevölkert waren, zogen jetzt ausgelaugte, hohlwangige, graue Kolonnen: die Frontschweine. Die Landser, die aus Blut und Dreck kamen. Verwundert starrten sie auf die halbwegs heile Welt, die sich da hinter ihren blutenden Leibern aufgebaut hatte.
Plakate an Hauswänden und Bäumen. Heute: Der Zigeunerbaron von Johann Strauss.
Jeden Tag: Panzersprenggranate! Das Kabarett für Euch, Kameraden.
Freilichtbühne Charkow: Das Berliner Ballettensemble tanzt aus Opern und Operetten.
Warum ist es am Rhein so schön? – Rheinischer Abend mit Tünnes und Schäl.
Kameraden, unser Bauchredner kommt wieder! Im großen Saal des Kulturhauses.
Ja, die Mädels von der Waterkant sind da! Großer Heimatabend der Frontbühne.
Und in den geräumten Wohnungen standen noch Sofas und Sessel, waren die Betten bezogen, stapelten sich leere Flaschen und stanken Berge von verdorbenen Lebensmitteln.
Der um das Innere von Charkow angelegte Befestigungsgürtel wurde noch einmal ausgebaut und besetzt. Noch zogen endlose Kolonnen aus der Stadt, ab nach Westen, in die Sicherheit. Die Etappensoldaten, gesegnet mit vollen Bäuchen und immer neuem Tripper, schoben ihre ›ruhige Kugel‹ so schnell wie möglich aus dem Frontbereich weg. Nach wie vor galt die Faustregel, wonach auf einen kämpfenden Mann vor dem Feind zehn Mann in der Etappe kommen, die fleißig dafür sorgen, daß dieser eine Mann auch tapfer schießt und stirbt. Hätte man alles, was sich an Menschen in Charkow versammelt hatte, zu einer Einheit zusammengelegt, so wäre eine neue Armee entstanden. So aber flutete diese wohlgenährte Armee von Unabkömmlichen und Abkommandierten per Eisenbahn oder über die Straßen nach Poltawa und bis zum Dnjepr. Die tiefe, ruhige Etappe von Tscherkassy und Kiew wurde bis zum Bersten aufgefüllt.
Der Landser aber vorne im Dreck hungerte und zählte seine Munition, wartete auf jeden Kanister Sprit und krallte sich in seinem Schützenloch fest gegen die anrennenden sowjetischen Divisionen, gegen Panzermassen und Artilleriegetrommel.
Leutnant Bauer III wurde verwundet. Er bekam einen Bauchschuß und hatte das Glück, mit einem Sanka noch bis Charkow zu kommen, und von dort mit einem Lazarettzug nach Poltawa. Die 4. Kompanie übernahm ein Oberleutnant von Bellinghoven. Er war gerade aus dem Lazarett Burgsteinfurt in Westfalen entlassen, hatte vier Wochen Genesungsurlaub hinter sich und wurde sofort wieder an die Front geschickt. Er fand seine Division im vollen Rückzug, sein Regiment hatte nur noch Bataillonsstärke, und als man ihn zur 4. Kompanie schickte, hatte er keinen langen Weg dorthin; die Kompanie kam ihm entgegen. Mit seinem Kübelwagen geriet er mitten in einen sowjetischen Vorstoß. Oberleutnant von Bellinghoven bildete sofort mit der Gruppe des Unteroffiziers Pflanzl ein Widerstandsnest und zeigte, wie man mit einer Haftladung einen T 34 knacken kann: Abwarten bis zum toten Winkel, dann aufspringen, die mit einem Magneten versehene Sprengladung an den Turm kleben, abziehen, Deckung – und Kopf runter! Wenn es knallte, gab es keinen T 34 mehr.
Am Abend kam der Angriff der Sowjets zum Stehen. Vor den Löchern und dazwischen lagen fünf qualmende sowjetische Panzer. Die Verluste der 4. Kompanie waren gering. Zwei Tote und neun Verwundete. Aber jeder ausgefallene Mann zählte jetzt wie zehn.
In der Dunkelheit ließ von Bellinghoven die Kompanie sammeln. Er stellte sich als neuer Chef vor, begrüßte die Zugführer, freute sich, daß auch Hauptfeldwebel Pflaume mit einem leichten MG herumlief und nicht in
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