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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Granattrichter, hinter ihm feuerte die sowjetische Pak, vor ihm rollten vier deutsche Tiger, neben ihm donnerten neun T 34, und da es Nacht war, sah man ihn nicht in seinem Loch. Er lag zusammengekrümmt und hoffte, daß es den Deutschen gelingen möge, jetzt vorzustoßen und ihn zu überrollen. Aber auch diese Hoffnung endete damit, daß ein Tiger ausbrannte und die anderen sich zurückzogen.
    Der sowjetische Vormarsch ging weiter.
    Und weiter zog auch Unterarzt Ursbach. Er fuhr mit einem gestohlenen Fahrrad – es war nun das vierte geklaute – durch das brennende, von den Russen zurückeroberte Bjelgorod, er folgte der 5. Garde-Panzerarmee auf ihrem Siegeslauf in Richtung Solotschew, wo sie einen Seitenkeil in Richtung Charkow bilden sollte, der sich mit den Hauptkeilen der 7. Garde-Armee und den südlichen Panzerspitzen der 57. Armee zu einem Ring vereinigen würde, in dessen Mittelpunkt Charkow lag. Von drei Seiten wollten die Panzer auf die Stadt stoßen, und von drei Seiten rückten sie auch schon heran. Wer wollte sie noch aufhalten?
    Am 5. August, immer in Hörweite der Front, manchmal sogar in Sichtweite, aber nie so nah, daß er überlaufen konnte, lag Ursbach in einem Waldstück und war sich der Absurdität seiner Lage voll bewußt: Wenn es so weiterging, würde er im Windschatten der sowjetischen Panzer wirklich nach Deutschland zurückkommen. Es war dann alles nur eine Frage der Zeit und des Glücks.
    Verpflegung hatte er jetzt genug. Auf seiner letzten Etappenstation hatte er einen ganzen Sack voll gestohlen und auf sein Fahrrad geschnallt. Was wollte man noch mehr? Freiheit, ein Sack voll Essen, ein Fahrrad, ein schöner, heißer Sommer, Flüsse, in denen man schwimmen konnte, Scheunen, in denen man schlafen konnte. Was ihn früher nie verlockt hatte, das Leben eines Landstreichers, die Straße unter sich und die unbekannte Weite vor sich, das begriff er jetzt als einen übriggebliebenen Rest des Paradieses.
    Es störten nur die donnernden Geschütze, die feuerspeienden Panzer, die Kolonnen der Soldaten und die langen Züge der erschöpften, schwitzenden und ausgepumpten Gefangenen. Deutsche Gefangene.
    Ein paarmal ließ er seine Kameraden an sich vorbeitrotten. Es war unmöglich, sich ihnen zu erkennen zu geben. Und so sah er mit wehem Herzen, wie sie in Vierer- oder Sechserreihen über die staubigen Straßen nach Osten zogen, zum nächsten Auffanglager, wo man über ihr ferneres Schicksal entschied. Und er stand am Straßenrand, ein Russe in zerknitterter, geflickter Kleidung, auf dem Kopf die Schirmmütze, das Gesicht von einem blonden Bart überwuchert. Blicke streiften ihn, einer rief ihm sogar zu: »Chleb! Chleb!« – aber er gab ihnen kein Brot, schüttelte nur stumm den Kopf, drehte sich um und lief weg, weil er spürte, er würde das nicht länger aushalten können und sich verraten.
    An diesem 5. August schlief er in dem Wäldchen neben seinem Rad, wie so oft in den vergangenen drei Wochen. Ein Reißen an seinem Arm weckte ihn. Mit einem Gürtel hatte er sich sein Fahrrad darangebunden, um zu verhindern, daß man ihm das gestohlene Rad klaute. Jetzt standen zwei Rotarmisten vor ihm. Sie interessierten sich weniger für ihn als für das Rad. Daß es am Arm des Besitzers angebunden war, damit hatten sie nicht gerechnet. Welch ein schlauer Fuchs, das Bäuerlein!
    Da er nun einmal wach war, taten die beiden Rotarmisten sehr dienstlich, gaben Ursbach einen Tritt in die Seite und befahlen: »Steh auf, du Krautkopf! Das ist eine Untersuchung. Amtlich! Und gib Antwort, sonst hagelt es Ohrfeigen, Freundchen!«
    Ursbach blieb sitzen, er konnte ja kein Russisch. Um so freundlicher grinste er die Soldaten an. »Towaritschi …«, sagte er höflich. Das klang immer gut: Genossen. So etwas hatte er sich gemerkt, außer einigen anderen Wörtern.
    Die beiden Rotarmisten sahen sich verblüfft an, gaben Ursbach noch einen Tritt zur Aufmunterung und schrien: »Steh auf! Wo hast das Rad her? Wer hat heute noch ein Rad? Warum ist es nicht zum Großen Vaterländischen Krieg eingezogen? Hast es wohl versteckt, du Gaunerchen, was? Damit ist's nun vorbei! Das Rad ist konfisziert!«
    »Da da«, sagte Ursbach und lächelte breit. Er klopfte auf seinen Jutesack und nickte. »Kolbassa … Chleb … Mjasso …« (Ja, ja … Wurst, Brot, Fleisch)
    »Er hat kein Hirn mehr«, sagte der eine Soldat. Er gab Ursbach eine Ohrfeige, löste den Riemen von seinem Arm und hob das Rad hoch.
    »Die Sommerhitze!« Der andere Soldat

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